Kritik: „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins“: Pro und Contra
Sieben unmögliche Beobachtungen zu einer unmöglichen Mission. Wie gut ist Teil sieben der „Mission: Impossible“-Reihe?
01. Ganz schön aktuell! Die Drehbücher waren 2018 fertig, der Dreh sollte 2020 beginnen. Dann kam Covid. In diesen drei Jahren hat sich sehr viel getan. Vielleicht wird der Feind in „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins“ nicht mehr „Künstliche Intelligenz“ genannt, weil heute alle über Künstliche Intelligenz als möglichen Feind der Menschheit reden. Kein Tag mehr ohne KI und News über KI. Manchmal sind wir von KI auch schon genervt. Aber muss man sie deshalb gleich „die Entität“ nennen? Der Begriff „KI“ fällt nur zweimal. Dafür ist ein U-Boot, in dem sich ein wichtiger Gegenstand befindet, in einer bedeutsamen Region versunken: der Krim.
02. So geht es eigentlich viel besser mit der KI: Autofahrer Benji Dunn (Simon Pegg) muss Motorradfahrer Ethan Hunt (Tom Cruise) per Funk Routenanweisungen geben, kann aber nicht gleichzeitig lesen und navigieren. Er lässt seinen Wagen deshalb komplett autonom fahren, rückt auf den Beifahrersitz. Pegg ist ein Komödiendarsteller, sein misstrauischer Blick zum leeren Fahrersitz ist ein kleiner Höhepunkt des Films, besser als mancher Stunt. Manchmal braucht es nicht viel, um die Abhängigkeit des Menschen vom Computer zu zeigen, jedenfalls weniger, als gleich eine atomare Bedrohung durch „die Entität“ zu skizzieren,
03. „Ausgerechnet ein Schlüssel ist der Schlüssel“: Ein Schatztruhenschlüssel-artiges Steckgerät, das die Herrschaft über „die Entität“ sichert, sucht das passende Schloss und wandert von Diebestasche zu Diebestasche. Das hat was von „Indiana Jones“, aber natürlich auch einen berechtigterweise notwendigeren Schauwert, als wenn Notizbücher mit Quellcodes gesucht werden müssten.
04. Pausbacke. Mag Tom Cruise mit mittlerweile 61 Jahren topfit sein – in „M:I 7“ trägt er gewisse Spuren im Gesicht, die viele Celebrities ab einem gewissen Alter im Gesicht tragen. Manche spotten, er sähe nun aus wie ein Fußball, oder wie ein Gesicht, das man auf einen Luftballon gemalt hat. Gerade seine untere Gesichtspartie wirkt in diesem Film etwas sackmäßig, so, als hätte er eine „Mission: Impossible“-Maske unter dem Kinn nicht richtig zurechtgerückt. In „Top Gun: Maverick“ aus dem vergangenen Jahr sah Cruise straffer aus. Das lag wohl auch daran, dass die Dreharbeiten zum Fliegerabenteuer zwei Jahre vor denen zu „Dead Reckoning“ begannen, aus einer anderen Ära also, als aus der seines Basketballspiel-Besuchs:
05. Trauergeigen. SPOILER!
Wenn Tom Cruise zu tragisch anschwellenden Streichern verzweifelt zum Spurt ansetzt, um einen geliebten Menschen zu retten – dann kommt er meist zu spät. Auch hier. Der Soundtrack verrät zu viel, das schon einige Male verwendete Motiv des umsonst rennenden Agenten Hunt ebenso. Cruise und Regisseur Christopher McQuarrie verwiesen auf die Notwendigkeit, wichtige Figuren sterben lassen zu können – „Mission: Impossible 7“ sei ja mehr als ein Actionfilm, er sei ein Action-Drama. Und Ethan Hunt zeigt sich auch als Mensch. Entgegen des Plans, dem Mörder seines Teammitglieds am Leben zu lassen, muss er davon abgehalten werden, diesen nicht aus Rache zu töten.
06. Der Gegner. Esai Morales verkörpert Hunts Antagonisten Gabriel. Morales sieht nicht so aus, als wäre er gut in Nahkampftechniken, umso überraschender, was in diesem Terroristen steckt. Nicholas Hoult war für diese Rolle vorgesehen, der drollige Junge aus „About a Boy“, der putzige Zombie aus „Warm Bodies“! Das wäre ein Coup gewesen. Die Besetzung Morales‘ zeigt leider auch, was „Dead Reckoning“ abgeht: der männliche Gegner auf Augenhöhe. Einer, dem die Smokings egal sind. August Walker (Henry Cavill) war der Maßstab, dicht dahinter Sean Ambrose (Dougray Scott) aus dem bisher besten Film der Reihe, „Mission: Impossible 2“. Dieser zweite Beitrag ist „Dead Reckoning“ nicht unähnlich. Es existiert eine menschheitsbedrohende Gefahr – ein Virus –, aber im Mittelpunkt steht der Kampf zweier hochkompetenter Agenten um eine Frau, befeuert durch ein markiges Robert-Towne-Drehbuch. Mal abgesehen davon, dass „Mission: Impossible II“ auch ein besserer Titel ist als der mit vielen Wörtern, Satzzeichen und fehlenden Satzzeichen versehene „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins“. Die drei besten Rollen in „Mission: Impossible 7“ haben zum Glück drei Frauen: Rebecca Ferguson, Hayley Atwell und die in jeder Rolle überragende Vanessa Kirby. In einer einzigen, sehr spannenden (Verhandlungs-)Szene kommen sie sogar zu dritt zusammen. Es ist schade, dass Ferguson an dem Dialog nicht teilnimmt.
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07. Die Stunts. Natürlich, die Stunts! Ab Teil vier und dem Kletterakt auf dem Burj Khalifa trat „Mission Impossible“ 2011 weniger als Filmreihe denn als mühselig kaschierter Versuch in Erscheinung, sich möglichst viele Einträge im „Guinness Buch der Rekorde“ zu sichern. Cruise‘ Sprung vom Berg mit dem Motorrad fand sicher statt, bedauerlich nur, dass der Berg trotzdem wie CGI aussieht (vielleicht hat „die Entität“ ihm da einen Streich gespielt!). Zugdachkämpfe sind seit vielen Jahren und vielen Filmen zudem immer sehr gleich (ducken im Tunnel), und auch, wenn Cruise wirklich auf einem fahrenden Zug stand, so wirken eben diese Echt-Szenen deutlich statischer als jene, die sich mit Effekten und Studioaufnahmen mischten. Deutlich beeindruckender anzusehen ist der abschließende Zugabsturz in den Abgrund, der sich nach einer Brückensprengung auftut: eine Mischung aus Jack und Rose auf der in die Tiefe rasenden „Titanic“ und den über der Klippe baumelnden Busse in „Jurassic Park: The Lost World“.