„Gladiator 2“-Trash: Die Haie im Colosseum sind nicht mal das Schlimmste
Wer gibt dem 86-jährigen Ridley Scott so viel Geld, um solche Filme zu drehen? Die ROLLING-STONE-Kritik.
Soll keiner sagen, man sei nicht gewarnt worden. Ein euphorischer Ridley Scott plauderte in Interviews schon aus, was uns in „Gladiator 2“ erwarten würde. Keine Tiger mehr. Sondern ein Nashorn. Auf dem ein Mensch reitet. Und überdimensionale Fantasy-Monsteraffen aus der achten Dimension, die gegen Menschen kämpfen. Wobei, nein, das hat sich der Autor dieser Zeilen ausgedacht. Affen, die gegen Menschen kämpfen, gibt es hier tatsächlich. Aber sie sind „Because We Can“-CGi-mäßig aufgeblasen worden, dass sie wie nicht aus dieser Welt erscheinen.
Und dann gibt es den, der gegen den Hai kämpft. Das Colosseum von Rom wird in ein riesiges Bassin verwandelt, in das Galeeren einfahren. Und in dem Haie schwimmen, die Gladiatoren fressen, die von den Schiffen fallen. Nun soll es diese Wasserspiele im alten Rom tatsächlich gegeben haben. Anscheinend konnte man das Colosseum in ein Aquarium verwandeln. Nach Idee von Sir Scott wohl auch, ohne den Boden auszuheben. Alle Schiffe fahren auf ebener Strecke ins Rund hinein. Wo kommen die Haie her?
„Alien“ in der Kritik:
Hätte Ridley Scott uns „Gladiator 2“ als Märchen verkauft – geschenkt. Aber der Regisseur meint das alles ernst. Genau wie das „Caligula“-Acting seiner schurkischen römischen Imperatoren, von denen der eine, der mit der Syphilis, wie ein schlechter Erbe Joaquin Phoenix‘ auftritt, der andere, ein unterforderter Joseph „Eddie“ Quinn, dem ersten Anschein nach sogar in die Kamera schaut. Nicht im Sinne einer „Metaebene“, „Breaking the fourth Wall“. Sondern weil das im Schneideraum anscheinend durchgerutscht ist. Es gibt einen „Phantom Menace“-artigen Stadionsprecher, und Pedro Pascal verwandelt sich in einen Kaktus. Alle halten Reden vor zehntausenden Menschen, keiner benötigt dafür ein Megaphon.
Trailer: „Gladiator 2“:
Die dritte Hauptrolle – neben Pascal sowie Paul Mescal als neuer Gladiator – besetzt Denzel Washington. Dem „Charakterdarsteller“ gab Scott anscheinend die Anweisung, seine Spielweise aus „Training Day“ und „American Gangster“ zu reaktivieren. Washingtons Figur des Waffenhändlers Macrinus bedient in der unbeabsichtigten, unterbewusst rassistischen Konzeption das Bild des juwelenbehangenen Swaggers, der sich als Politiker verkauft, aufsteigen will und über Leichen geht – aber aufgrund seiner Hautfarbe in der römischen Gesellschaft keine Chance haben dürfte. Das war kein „Colorblind Casting“, Denzel Washington hätte das merken müssen.
Auch Paul Mescal wandert ohne viel Aufhebens durch seine Drehbuchzeilen. Nach den kleinen und guten Filmen „Aftersun“ und „All of us are Strangers“ sein erster Blockbuster. Innerhalb weniger Minuten verwandelt sich seine Figur des Lucius vom kindlichen, die blaublütige Abstammung negierenden Rebellen, zu Muttis (Connie Nielsen) und Vatis (Russell Crowe, im Geiste) Liebling. Unklar, trotz einer Spiellänge von 147 Minuten, was dafür der Auslöser gewesen sein könnte. Aber der nächste Arenakampf naht.
Ridley Scott ist 86 Jahre alt, das Budget soll bis zu 200 Millionen Dollar betragen haben. Wer gibt ihm so viel Stupid Money? Dies ist kein Ridley-Scott-Film, „Gladiator 2“ wirkt nicht mal mehr wie ein Michael-Bay-Film. Haie und Space-Affe, das ist schon Uwe Boll.
„Der große Ridley Scott“
„Der große Ridley Scott“, heißt es stets. Wie groß waren seine Filme der letzten 20 Jahre? Gedreht hat er ab 2004 „Königreich der Himmel“, „Ein gutes Jahr“, „American Gangster“, „Der Mann, der niemals lebte“, „Robin Hood“, „Prometheus“, „The Counselor“,„ Exodus“, „Der Marsianer“, „Alien: Covenant“, „Alles Geld der Welt“, „The Last Duel“, „House of Gucci“ und „Napoleon“.
Bis auf „Der Marsianer“ und „Alles Geld der Welt“ kein Film dabei, der komplett gelungen ist. Sein „Alien“-Erbe hat er selbst verschleudert, durch eine Origins-Erzählung, die komplizierter ist als der Außerirdische an sich. Das Cormac-McCarthy-Drehbuch vom „Counselor“ hat er durch eine Szene, in der Cameron Diaz sich mit einer Windschutzscheibe befriedigt, verhunzt. Christian Bale spricht bis heute ungerne über seinen Moses. Worum geht’s eigentlich in „Exodus“?
Seine „Epen“ wie „Königreich der Himmel“ und „Napoleon“ versuchte Scott nachträglich upzugraden, in dem er auf seine Director’s Cuts verwies. Wenn es einem Regisseur jedoch nicht gelingt, in der originalen Kinofassung einen ansprechenden Film zu veröffentlichen, wirkt das nicht gerade souverän. Apropos „Napoleon“. Nicht nur Scott wirkt schon seit langem verloren. Mit „Beau Is Afraid“, „Napoleon“ und „Joker: Folie à Deux drehte Scott-Darsteller Joaquin Phoenix drei schlechte Filme in Folge, erstmals. Zuletzt zerstörte er auch ein Filmprojekt von Todd Haynes. Alles nach seinem „Joker“-Oscar. Wer redet mal mit ihm?
Das Beste an „Gladiator 2“ ist sein Titel
Scott bekommt die (historischen) Stoffe zugewiesen, die Hollywood niemand anderem zutraut. Er filmt die Dinge aus dem Weg. Dafür gibt es durchaus Gründe. Er versteht die Einweisung von auch schwierigen Schauspielern, bleibt unter Budget und Drehzeit, akzeptiert Studio-Notes und stellt sich nicht quer, wenn visuelle Effekte in jeder Einstellung zu sehen sein sollen. Er findet sowas sogar gut.
Aber wann hat Ridley Scott das letzte Mal einen Film gedreht, in dem keiner ein Kostüm trägt? In dem das Aussehen der Leute keine Rolle spielt? In „Gladiator 2“ gibt es eine Revolution des Volkes gegen die „spätrömische Dekadenz“, die sich leicht als „spätrömische Dekadenz des Westens“ interpretieren ließe. Aber inmitten geschwollener Vorträge und vom Plebs überwältigter römischer Soldaten erscheinen politische Bezüge eher wie Dekoration.
Scott wirkt jedes Mal angefasst, wenn er bei den Oscars nominiert, aber nicht ausgezeichnet wird. Kein Wunder. Er kann keine Dramen, in denen kein Schwert geschwungen wird, keine Laserwaffe abgefeuert wird. „Thelma & Louise“ ausgenommen. Dafür denkt bei diesem Film aber auch keiner an ihn. Sondern an Susan Sarandon und Geena Davis. „Thelma & Louise“ fiel in Scotts „dunkle Phase“ zwischen „Legende“ von 1985 und „Gladiator“ von 2000, als er kein Star-Regisseur mehr war. Heute würde er einen Stoff wie „Thelma & Louise“ nicht mehr anfassen.
„The style is the substance!“
Das Beste an „Gladiator 2“ ist sein Titel. Der unverhohlene Anspruch darauf, so gut zu sein wie Teil eins. Dabei sind doch Doppelpunkt-Filmtitel mit römischem Namen noch immer en vogue. „Gladiator: Lucius“, „Gladiator: Ultimus“ oder „Gladiator: Optimus Primus“. Vielleicht bei Teil drei.
Ridley Scott hat mal eine sehr geschickte Antwort auf den gegen ihn gerichteten, inflationären „mehr style als substance“-Vorwurf gegeben: „The style is the substance!“. Was das meint, bleibt dennoch sein Geheimnis.