Kritik: „Game of Thrones“, Staffel 8, Folge 6: Über den Rand der Welt pissen

Vorschläge zur Güte: „Der Eiserne Thron“, das salomonische Ende von „Game of Thrones“

„Nichts auf der Welt ist mächtiger als eine gute Geschichte“, sagt Tyrion. Eine verdammt gute Geschichte wird da gerade zu Ende erzählt. Der Krieg ist vorbei, die Tugendtyrannin wurde von ihrem Liebhaber getötet, der Drache entflogen. Die überlebenden Hochmögenden treffen sich noch einmal zu einem Konvent. Der Graue Wurm will Vergeltung. Tyrion ist in Ketten, aber er ist da. Sansa ist da, Arya ist da, Samwell und Ser Davos, und ein paar Statisten repräsentieren die Königslande.

  • Achtung, dieser Text enthält Spoiler!

Und alle sind ratlos. Die Königswürde wird Tyrion angetragen – ein hypothetischer, spielerischer Moment, denn Tyrion war natürlich stets ein Anwärter.
Aber er lehnt ab: Ich bin doch nur ein Gnom, alle hassen mich, ich war nicht weise, und ich habe immer zu viel geredet! Und also redet er noch mehr.

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Bran, der Gebrochene, wird zum König gewählt. Man hätte gleich darauf kommen können. Es ist nicht die Geburt der Demokratie (Samwell hat so kühn gedacht und wird ausgelacht), aber vielleicht der konstitutionellen Monarchie und der Verantwortungsethik. Natürlich Bran! Er sieht am gescheitesten aus, und er ist übersinnlich.

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Es ist die Stephen-Hawking-Lösung. Tyrion wird wieder Hand des Königs, die Belohnung und die Strafe für seinen Hochmut. Sansa bleibt der unabhängige Norden. Die Ironie, die der letzten Staffel fehlte, kehrt in der allerletzten Episode ohne Ingrimm zurück.

„Ich fürchte, ihr werdet gar nicht erwähnt“

Der Eiserne Thron, der Popanz der letzten Staffel von „Game of Thrones“, ist im Feuersturm geschmolzen. Es gibt Holzstühle. Noch einmal gelingt den Autoren eine königliche Pointe: Tyrion, der das „Book of Ice and Fire“ aufschlägt und sich sofort danach erkundigt, wie er in den Annalen dargestellt würde. „Ich fürchte, ihr werdet gar nicht erwähnt“, sagt Samwell. Peter Dinklage spielt diese Kränkung als großer Komödiant. Das Kabinett deliberiert über den Bau der Flotte, über die Kanalisation und die Bordelle. Eine Versöhnung über Trümmern und Gräbern.

Tyrion (Peter Dinklage) spielt eine entscheidende Rolle in der letzten Folge von „Game of Thrones“
Tyrion (Peter Dinklage) spielt eine entscheidende Rolle in der letzten Folge von „Game of Thrones“

Brienne von Tarth schreibt Jaime in Schönschrift in die dickleibigen Annalen: „Died protecting his Queen.“ So werden die Bilder, die wir gesehen haben, wieder zu Schrift. Und die Serie gemahnt listig daran, dass sie gemacht ist. Die Musik wogt, Friede liegt über dem Land. Keiner hat bekommen, was er wollte, und deshalb ist es gut.

Daenerys‘ Sterben ist Tyrannenmord und Liebestod zugleich

Die letzte Episode ist eine Apotheose der Konzilianz, des Opfers und der Vernunft. Das Sterben Daenerys‘ in den Armen und durch die Hand Jons ist Tyrannenmord und Liebestod zugleich, eine Pietà in Ruinen. Der treue Drogon trägt sie davon. „War es richtig, was sich getan habe?“ fragt Jon, und Tyrion antwortet: „Frag’ mich in zehn Jahren noch mal.“ Die Befreierin, die zur Despotin wurde, wollte das Rad der Geschichte zerschlagen.

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Am Ende glaubte Jon dem Raunen Tyrions, dass sie auch ihn vernichten würde, den legitimen Thronfolger, der kein König sein wollte. Er ist aber der König der Nachtwache, in der Verbannung, an den Grenzen der Zivilisation. Der Waldgang ins Ungewisse ist das letzte Tableau von „Game of Thrones“.

Jon seufzt: „Du bis meine Königin, jetzt und immer“
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Ins Ungewisse, westlich von Westeros, bricht auch Arya auf, ein weiblicher Christopher Columbus: Sie wollte Cersei töten, nun wird sie zur Entdeckungsreisenden. „Nach ein paar Jahren als Hand des Königs“, spricht Tyrion, „will man bestimmt wieder über den Rand der Welt pissen.“

Man will das alles bestimmt noch einmal sehen.
Was für eine lange, seltsame Reise war das.

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