Krieg den verpönten Puristen
Wenn er einen neuen Song zu Papier bringt, hat John McCrea einen ganz spezifischen Hörer vor Augen: „Ich stelle mir vor“, so der Cake-Guru, „wie Leute, die tagsüber im Wald ihr Essen geschossen haben, abends vor ihrer Höhle am Lagerfeuer sitzen und singen meine Lieder singen.“ „Hotel California“ von den Eagles sei ein Stück, das dafür prädestiniert sei, „Blowing In The Wind“ ein weiteres. „Für mich sind Cake zunächst einmal ivüfe-Musiker“, fuhrt der Freizeit-Philosoph fort. „Wir machen Musik für ein Publikum – Musik, die von den Hörern zu ihren individuellen Zwecken genutzt wird.“
Schlagartig bekannt wurde das 1991 in Sacramento gegründete Quintett allerdings mit einem Song, der nicht aus McCreas Feden sondern von Gloria Gaynor stammte. „I Will Survive“, von Trompeter Vince de Fiore brillant veredelt, entpuppte sich als der Überraschungs-Hit des letzten Jahres und bescherte der No-Name-Band ein Platin-Album („Fashiort Nugget“) und unerwartete Probleme: Gitarrist Brown und Baßmann Damiani verließen die Band, auf dem neuen Album -Proionging The Magic“sucht man nach Cover-Versionen vergeblich – und McCrea hat die Vorzüge der Sonnenbrille entdeckt „Ich hab Dylan für ’nen Idioten gehalten, weil er stets diese blöde Sonnenbrille auf der Nase hat. Inzwischen hab ich gelernt, daß man sein Innenleben schützen muß. So viele Gaffer wollen reinschnüffeln in deine Seele, so viele Hände deine Hand schütteln. Der Psyche ist das nicht gerade zuträglich.“
Dabei dümpelte „Fashion Nugget“ ein Jahr unbeachtet vor sich hin, bevor es ausgerechnet von der schreibenden Zunft entdeckt wurde, von Menschen also, die „keine eigene Meinung haben, mit der Masse laufen und ihren Lesern Dinge beibringen wollen, von denen sie keine blasse Ahnung haben“. „Prolonging The Magic“ beleuchtet den steinigen Weg der Kompromißfindung zwischen McCreas Lagerfeuer-Ambitionen und dem Bestreben, nicht Abziehbild des eigenen Überraschungs-Hits zu werden. In der Tat tönt es gelegentlich, als spiele die Last des erfolgreichen Vorgängers nun als sechstes Bandmitglied mit „Eine Menge Leute mit Cake-T-Shirts“ habe McCrea im letzten Jahr gesehen. „So was nennt man Momentum, aber ich weiß nicht, ob das wirklich was Positives ist.“
Eindeutig positiv hingegen ist die Bastardisierung, die McCrea von Cake und der gesamten Popmusik fordert Nur wer – wie er – Motown ebenso wie wie Hank Williams liebt, wer Punk mit Posaune spielt und Puristen verachtet, wer Blues schätzt, aber auch guten Pop nicht verachtet, der ist auserwählt, die Lehre von der Bastardisierung in die Welt zu tragen. „Musik lebt nur, wenn sie sich stets verändert, ständig vermischt Reinheit ist tödlich.“