Kreatives Rauschen: When Saints Go Machine im Interview
Das Kopenhagener Quartett When Saints Go Machine meldet sich mit einem neuen Video zum Song "Mannequin" zurück. Wir trafen Keyboarder Jonas Kenton und Drummer Silas Moldenhawer bereits im vergangenen Jahr zum Interview auf dem SPOT-Festival.
Bereits im Frühsommer letzten Jahres sprachen wir auf dem SPOT-Festival mit diesem dänischen Geheimtipp und deklarierten ihn zum ROLLING STONE Artist To Watch. In diesem Sommer spielen When Saints Go Machine auf dem Melt! und dem Berlin Festival und melden sich mit einem neuen Video zurück. Das gibt’s zuerst und dann noch mal unser Feature aus dem letzten Jahr…
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Dass Ruhe und Abgeschiedenheit die Kreativität stimulieren, ist ja kein allzu großes Geheimnis mehr. So zog sich beispielsweise Bon Iver-Kopf Justin Vernon für seine beiden letzten Album-Produktionen in eine einsame Jagdhütte zurück. Die vier Dänen von When Saints Go Machine taten es dem amerkanischen Singer-Songwriter für ihre aktuelle Tonträger-Aufnahme gleich und suchten Inspiration in einem Haus am Meer.
Herausgekommen sind neun atmosphärische Songs, die nach Sehnsucht, Melancholie, Fernweh, aber auch Hoffnung klingen. Schwelende Streicher, traurig-schöne Melodien, rhythmische Beats und eine zerbrechliche Falsett-Stimme von Sänger Nikolaj Manuel Vonsild tragen die Musik auf „Konkylie“ (dem dänischen Wort für „Muschelhorn“). Ein Album-Titel, der mit Bedacht gewählt wurde, steht doch gerade solch ein Muschelhorn, das bei Heranhalten ans Ohr das Rauschen des Meeres erahnen lässt, für die nicht immer benennbare Sehnsucht, die wohl ein jeder im Leben schon einmal verspürt hat.
Im Gegensatz zu den meist eher schwermütigen Stücken des Longplayers steht der Track „Kelly“, der fröhlichen Dance-Pop verbreitet und von den Erfahrungen der ersten Liebe handelt. Auch zeigt der Song die eigentlichen Elektronik-Ursprünge von Sänger Nikolaj Manuel Vonsild, Drummer Silas Moldenhawer, und den beiden Keyboardern Jonas Kenton sowie Simon Muschinsky. Zu hören ist dieser noch beatlastigere Sound auf der Fünf-Track-EP „Fail Forever“.
Elektronische Synthi-Klänge finden sich beim dänischen Quartett nach wie vor, nur sind diese inzwischen sanfter und melodischer geworden.
Dass 2011 das Jahr werden könnte, in dem When Saints Go Machine, die bereits seit 2007 zusammen musizieren und in ihrem Heimatland Dänemark schon erste Achtungserfolge erzielt haben, auch international richtig durchstarten könnten, steht für englische Musikmagazine wie dem NME und dem Guardian, die das Quartett bereits auf ihre Listen der vielversprechendsten Newcomer setzten, außer Frage. Die Kopenhagener Band scheint mit ihrem zerbrechlichen Pop-Sound den Nerv der Zeit getroffen zu haben.
In ihrer Heimat Dänemark trafen wir beim dortigen SPOT-Festival Drummer Silas und Keyboarder Jonas zum Gespräch über Inspirationsquellen, Vorbilder und musikalische Vergleiche.
Als ich euren Bandnamen das erste Mal gehört habe, hat er mich augenblicklich an den Song „When The Saints Go Marching In“ erinnert. War das die Inspirationsquelle als ihr auf der Suche nach einem passenden Namen ward?
Silas: Nicht direkt. Wir hatten da diesen großen Stapel LPs in unserem Studio und wir brauchten unbedingt einen Bandnamen, weil wir unsere Musik ins Internet stellen wollten. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon seit Wochen überlegt, wie wir uns nennen sollten. Und an einem Tag trafen wir dann die Entscheidung, okay, heute muss ein Bandname her. Wir suchten also um uns herum nach Worten, die uns inspirierten und Jonas hob schließlich diese eine Platte an und verlas sich beim Titel. Er sagte also laut: „When Saints Go Machine“. Wir schauten uns alle an und sagten, ja, das ist es, der Name gefällt uns.
Jonas: Ja, also eigentlich haben wir unseren Bandnamen dieser LP-Hülle zu verdanken, weil sie schon so sehr beschädigt war, dass man eigentlich nichts mehr richtig darauf erkennen konnte. Ich weiß auch schon gar nicht mehr, wie der ursprüngliche Titel auf dem Cover lautete.
Was wolltet ihr mit eurem Album-Titel „Konkylie“ ausdrücken?
Silas: Zunächst einmal finden wir dieses Wort einfach nur sehr schön. Außerdem haben wir das Album in einem Haus auf dem Land, nahe dem Meer, aufgenommen. In dem Haus verbringen normalerweise Nikolajs (Sänger der Band, Anm. d. Red.) Eltern ihre Urlaubstage. „Konkylie“ ist ja das dänische Wort für Muschelhorn, also einer Muschel, bei der man das Meer rauschen hört, wenn man sie sich ans Ohr hält
Jonas: Wir hatten während der Aufnahmen erst einmal viele Arbeitstitel für unsere Tracks. Einen Song betitelten wir mit „Konkylie“. Dieses Lied war ein sehr wichtiges, stand es doch mehr oder weniger für die ganze Idee unseres Albums. Und weil es eben diese besondere Bedeutung für uns hatte, packten wir es als Opener-Song auf unseren Tonträger. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt auch schon ein paar Ideen für unseren Album-Titel im Kopf, aber sie waren alle ziemlich lang, aber da unser Bandname schon so lang war, brauchten wir eher einen kurzen Titel. Außerdem gefällt uns „ Konkylie“, weil es ein dänisches Wort ist. Die Idee dabei war auch, dass wenn Leute aus anderen Ländern den Titel hören, ihn vielleicht sofort mit uns in Verbindung bringen, eben weil es kein englisches Wort ist. Deswegen passt dieses kleine, schöne Wort sehr gut zu uns.
Wer hat euch denn so inspiriert als ihr angefangen habt Musik zu machen?
Silas: Es war keine bestimmte Band oder ein bestimmter Künstler, die uns inspiriert haben. Unser Sänger Nikolaj hörte zum Beispiel viel Nick Cave. Und einen großen Einfluss auf uns alle hatte die Musik von Michael Jackson.
Jonas: Wir sind und waren immer so etwas wie Musik-Nerds. Unsere Einflüsse haben sich aber über die Jahre natürlich gewandelt. Wir waren immer auf der Suche nach etwas Neuem und Andersartigen, was wir so vorher eben noch nicht gehört hatten.
Gibt es neben der Musik andere wichtige Einflüsse für euren Werdegang?
Jonas: Ja, wir unterhalten uns beispielsweise viel über Filme und Emotionen, die darin vorkommen, wenn wir zusammen musizieren. Und natürlich sind die Natur und das Meer auch immer wieder eine große Inspirationsquelle für uns. Meiner Meinung nach erweitert es die Grenzen der Rock-Musik, wenn du von mehr oder weniger absurden Situationen oder Dingen um dich herum inspiriert wirst. Es erweitert das Denken darüber, wie Musik sein kann und könnte und deshalb ist es auch gut und wichtig, sich nicht nur von anderen Künstlern oder Bands beeinflussen zu lassen, sondern eben auch von Sachen, die dich umgeben.
Einige Kritiker vergleichen euren Sound mit dem von James Blake…
Silas: Wirklich?
Ja, ich habe das nun schon ein paar Mal gelesen. Sie vergleichen euch deshalb mit ihm, weil ihr eben auch melancholisch-schwermütige Melodien mit Elektro-Beats mixt. Was haltet ihr von solchen Vergleichen im Allgemeinen und wie würdet ihr selbst euren Sound betiteln?
Silas: Wir nennen das, was wir machen alternative Pop-Musik. Jedes Mal, wenn wir uns dran setzen einen neuen Song aufzunehmen, ist die Grundidee erst einmal immer, einen Popsong zu produzieren. Natürlich kann sich das im Laufe des Herumbastelns an einem Lied ändern, aber die Intention des Popsongs bleibt. Unser Sound weist starke, wieder erkennbare Melodien auf und das ist eben unserer Meinung nach genau das, was Pop ausmacht.
Nerven euch solche musikalischen Vergleiche wie der mit James Blake?
Jonas: Nein, das ist okay und schmeichelt natürlich auch. James Blake ist ein großartiger Künstler.
Als ich eure Platte zum ersten Mal gehört habe, ist mir wie gesagt aufgefallen, dass der Sound und auch die Texte eher in die melancholische Richtung driften. Spiegelt das eure Lebenseinstellung wider oder ist es eventuell einfacher Songs zu produzieren und zu schreiben, die nicht immer nur „Happy Pop“ sind?
Silas: Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, welche Emotionen wir mit unseren Songs aussenden würden. Wir haben uns einfach treiben lassen. Das ist ja dann nicht wie bei einer mathematischen Formel, wo man so und so viel Traurigkeit und so und so viel Fröhlichkeit berechnet oder plant hereinzupacken, sondern eher so, dass, wenn wir den Sound und die Melodien fühlen können, dann passt das alles und wir sind zufrieden. Wir haben also nicht beabsichtigt ein düsteres oder trauriges Album auf den Markt zu bringen. Wir haben uns bei den Aufnahmen einfach von unseren Emotionen leiten lassen. Vielleicht hat der Melancholie-Touch auf unserem Album auch damit zu tun, dass wir uns während des Produzierens auf dem Land irgendwie in unserer eigenen kleinen Welt befunden haben und alle zusammen in diesem einsamen Haus fernab von jeglichem Lärm waren. Vielleicht ist es diese Art von Musik, die dann dabei herauskommt.
In einem Interview habt ihr einmal erwähnt, dass es zunächst nicht so einfach war das Aufnahmestudio zu verlassen und Songs live auf der Bühne zu performen anstatt drinnen an Knöpfen zu drehen. Wie fühlt es sich inzwischen an vor Publikum aufzutreten?
Silas: Ich denke, wir werden immer besser. Studioarbeit und Live-Auftritte sind bei uns wirklich zwei verschiedene Dinge, da wir ja nicht diese typische Rockband sind. Wir müssen das, was wir im Studio machen, sozusagen auf die Bühne umgesetzt bekommen. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Es brauchte Zeit unser Live-Set sinnvoll umzusetzen. Was man auf dem Album tut, ist nicht zu vergleichen mit dem, was man live tut, weil die Dynamik eine ganz andere ist. Für uns war das Live-Spielen zunächst eine völlig neue Erfahrung. Damals haben wir immer noch alles durchgeplant, mittlerweile haben wir eher eine lockerere Struktur für unsere Auftritte.
Letzte Frage: Welche dänischen Künstler sollte man im Auge behalten?
Jonas: Choir Of Young Believers, die eigentlich hier beim SPOT Festival spielen sollten, aber leider kurzfristig absagen mussten.
Silas: Ich kann eine neue Gruppe namens Ice Age empfehlen. Sehr coole Punk-Rock-Band!