krach ist absicht. Die JON SPENCER BLUES EXPLOSION will nie witzig sein. Darum arbeitet sie mit ernsten Leuten

Jungs sind Herdentiere. Wenn sie wissen, dass sie sich in freier Wildbahn nie durchboxen könnten, suchen sie sich einen starken Anführer, und nach dem wird die Bande benannt Gitarrist Judah Bauen goldig, im Notfall bestimmt zu naiv. Schlagzeuger Russell Simins: etwas behäbig, leichte Beute. Leitwolf Jon Spencer hat derzeit noch bedrohlichere Koteletten, als das Foto vermuten lässt, trägt die spitzesten Schuhe und sicher ein griffbereites Stilett in der Hose, hat die beste Frau abbekommen (Cristina Martinez, die als Pin-Up auf den Plattencovern der gemeinsamen Band Boss Hog den anderen Jungs die Mäuler wässrig macht). Er singt, er stülpt die Lippen weiter nach vorn als Elvis, er schreit „Blues Explosion!“, wenn es angebracht ist, er hält seinen zwei Freunden die Leute vom Hals.

Und die Leute denken, er mache nur Spaß. „Postmodern to the core“ nennt der „All Music Guide“ die Jon Spencer Blues Explosion, weil sich ein Ex-Punk-Rocker wie er (Pussy Galore war die Band) doch nie ohne ironischen Drall dem schopfschüttelnden, chauvinistischen Ur-Rhythm’n’Blues überschrieben hätte. „Das hat damit zu tun, dass die Leute in den USA Rockmusik nur für voll nehmen, wenn sie so ernst ist wie die Eagles und Bob Dylan„, sagt Spencer und bleibt betont gelassen wie ein Gendeman-Gangster im Tarantino-Film, „aber wenn man wie Little Richard oder Screamin‘ Jay Hawkins ist… ja, manchmal tut es weh.“

Man hat ihn missverstanden. Der Tiefgaragen-Sound auf vergangenen Platten, „der klang ein klein wenig rau, aber das war Absicht, das hat Mühe gekostet! Wir machen doch keine Aufnahmen im Stil: ‚O je, jetzt habe ich Cola übers Tonband gekippt, das klingt nun halt so'“. Als hätten sie nach den denkbar glaubwürdigsten Zeugen gesucht, saßen der Produktion des neuen Albums „Plastic Fang“ bei: Produzent Steve Jordan (Drummer für die Blues Brothers, Stevie Nicks, Mark Knopfler, die Showband von David Letterman) und Mixer Don Smith (U2, Tom Petty, Eurythmics). Furchtbar middk ofthe road, eine perverse Note, gibt Jon Spencer kampflos zu, aber wenigstens gibt es dieses Mal keinen Trash-Verdacht. „Steve did a great Job!“ stimmt schon. Wie jovial er sein kann, wenn er will.

Dann bleckt er wieder die Zähne, denn die Ränder seines Reviers muss der Ede Wolf des Indie-Blues verteidigen. Die Strokes und die White Stripes haben trotzdem die letzten Titelseiten gekriegt, Jon Spencer gerät darüber kurz aus der Fassung, ruft sich geistesgegenwärtig zur Mäßigung: „Ääh… ich finde es toll, dass Garagenrock wieder ein so großes Publikum hat.“ Blick in die Runde. Eben an der Hotelbar hatte Judah Bauer, unbeobachtet vom Chef, noch mit kindlicher Begeisterung vom Konzert der White Stripes geschwärmt, aber jetzt sagt er lieber nichts.

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