Knopfler, Gallagher, Costello: Warum Linkshänder oft rechtshändig Gitarre spielen
Nicht alle Linkshänder sind Jimi Hendrix – und bespannen eine Rechtshändergitarre verkehrt herum.
Was haben Mark Knopfler, Noel Gallagher, Robert Fripp, Elvis Costello, Joe Perry und Billy Corgan gemeinsam? Richtig: Sie sind Linkshänder, spielen ihre Gitarre aber wie Rechtshänder. Aber warum eigentlich, könnte sich jetzt manch einer fragen, schließlich gibt es doch auch Linkshändergitarren – oder man macht es wie einst Jimi Hendrix und dreht das Rechtshändermodell einfach um und bespannt es entsprechend. Dass Linkshänder ihre Gitarre „falsch herum“ (oder, je nach Sichtweise, „richtig herum“) spielen, kann verschiedene Gründe haben.
Meist sind diese Gründe pragmatischer Natur. Zum ersten wäre da die Verfügbarkeit. Geht man in den Gitarrenladen, sind gefühlte 99,99 Prozent der Instrumente Rechtshändergitarren. Wer also rechtshändig spielt, hat die Riesenauswahl, kann im Geschäft zwischen Vintage-Les-Pauls, Strats und Superstrats, Jazz-Boxes, 8- und 9-Saitern und anderen Modellen herumprobieren. Bei Linkshändern ist die Optionsliste heute noch ähnlich der Speiseauswahl für Vegetarier in einer österreichischen Berghütte in den 1980er-Jahren: Mit etwas Glück gibt es eine, in Luxusfällen manchmal gar zwei aus der Notwendigkeit geborene Optionen, eine bunte Auswahl sieht jedoch definitiv anders aus. Dasselbe gilt auch für den Gebrauchtmarkt: Auch hier ist der Großteil der zu findenden Instrumente für Rechtshänder.
„Da war diese Gitarre für Rechtshänder“
Aber es geht nicht nur um die Verfügbarkeit in Gitarrenläden. Viele Geschichten prominenter Gitarristen und Gitarristinnen beginnen so: Da lag diese Gitarre am Dachboden, zu der man griff und auf der man sich selbst die ersten Akkorde beibrachte, dann die ersten Songs schrieb. Und wieder bemühen wir die prozentuale Gegebenheit von 99,99 Prozent – denn in etwa so standen die Chancen, dass diese Gitarre auf Vaters/Großvaters/Großmutters Dachboden für Rechtshänder war, die Person aber trotzdem zu dem Modell griff und sich das Spielen so beibrachte. Der brasilianische Gitarristenvirtuose Kiko Loureiro erzählte etwa in einem Interview (zitiert von „Ultimate Guitar“): „Eine Zeit lang teilte ich den [Gitarren-]Unterricht mit meiner Schwester und wir hatten nur eine akustische Gitarre. Ich bin Linkshänder und unsere Gitarre war für Rechtshänder, also musste ich Gitarre für Rechtshänder lernen. Ich konnte die Saiten nicht wechseln, um mit links zu spielen, weil wir uns die Gitarre teilen mussten“.
Traditionelles Lernen
Und da ist noch der traditionell-pädagogische Aspekt. Wir kennen die Geschichte vielleicht noch von unseren Großeltern oder sogar noch Eltern: Linkshänder wurden oft zu Rechtshändern „umerzogen“. Das geschah in erster Linie, weil man dachte, ihnen so den Alltag irgendwie erleichtern zu können, schließlich sind von Scheren, Dosenöffnern und anderen Alltagsgegenständen vieles auf rechtshändige Tätigkeiten ausgerichtet. Vielleicht hatte ja auch der Gitarrenlehrer darauf bestanden, dass der Schüler oder die Schülerin das Instrument rechtshändig erlernt. Oder man bekam es von einem Freund einfach so gezeigt, ganz ohne Hintergedanken.
Diese These bestätigt sich, als ich im Zuge des Nachdenkens über dieses Thema einen Freund anrufe, mit dem ich zeitgleich mit dem Gitarre spielen begonnen habe. Ein hervorragender Gitarrist, eigentlich Linkshänder, spielt die Gitarre aber wie ein Rechtshänder. Warum er sich das so angelernt hat, will ich von ihm wissen. „Du hast damals gesagt: Halte sie so“, so seine Antwort. Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, wir waren damals etwa neun Jahre alt – aber das dürfte durchaus ein häufiges Vorkommnis sein.
Hat das eigentlich Vorteile beim Spielen?
Somit hätten wir die häufigsten pragmatischen Gründe beleuchtet – nun stellt sich aber die Frage: Hat das „verkehrtherum spielen“ (das Gleiche gilt auch für den seltenen Fall, dass Rechtshänder auf Linkshändergitarre spielen) aber eigentlich auch musikalische Vorteile? Mark Knopfler etwa erzählte einmal, er könne, dadurch dass seine linke Hand (die Greifhand) deutlich stärker ist als seine rechte, einige Legatos beziehungsweise Hammer-on/Pull-off-Läufe spielen, die er ohne diese Kraft in besagter Greifhand wohl nicht hinbringen würde.