Kleiderversteher

Ferry, die Stil-Ikone: Der Promi-Stylist Gok Wan erklärt, warum der Sänger nie aus der Mode kommt.

Sich ständig neu zu erfinden – das wird einem im Popbusiness als Ideal verkauft. Dabei ist Bryan Ferry das beste Gegenbeispiel: Er hat früh entschieden, sich einem ganz bestimmten Look zu verpflichten. Eine Art Markenzeichen, das man sofort mit ihm und seiner Musik assoziiert – und das überaus haltbar und flexibel ist. Die hohe Schneiderkunst ist ja eine Tradition aus dem Dandytum: Männer werfen sich in Seide und sorgfältig geschnittene Anzüge, dieser Stil wird nie altbacken oder überholt sein. Er ist sexy, schön, sophisticated, auf paradoxe Art auch bescheiden und real.

Natürlich hatten wir in England immer viele großartige Stil-Ikonen im Pop, die Beatles, David Bowie. An Bowie sieht man das Problem allerdings ganz gut: Seine Looks hatten oft die Aura des Kostümierten, Ausgedachten. Bryans Stil dagegen war immer unangestrengt, nachvollziehbar. In den Siebzigern schaffte er es, das Thema Mode für viele Männer überhaupt erst zu erschließen. Und er war die erste männliche Pop-Ikone, die wie selbstverständlich das Werk bestimmter Designer vorführte. Bei Frauen war es ja immer üblich, bewusst Versace und Chanel zu tragen – Bryan Ferry führte seine berühmten Yves-Saint-Laurent-Anzüge mit ähnlicher Selbstverständlichkeit spazieren. Es gab kein einziges Foto, auf dem er nachlässig gekleidet oder ungepflegt ausgesehen hätte.

Ich habe Anfang der Nullerjahre einmal als Stylist mit ihm gearbeitet, bei einem Shooting für das „Millionaire Magazine“. Er war sehr zuvorkommend und down to earth, erzählte begeistert davon, wie er am Wochenende beim Familientreffen mit seinen Jungs Fußball gespielt hatte. Ich habe ihm einfach einen Armani-Smoking angezogen, der natürlich großartig an ihm aussah. Bryan ist ein Mann mit dem seltenen Talent, ein Kleidungsstück zu verstehen. Zu erkennen, was einen bestimmten Schnitt ausmacht, was am eigenen Körper funktioniert. Manche Prominente lassen sich wie Puppen einkleiden, watscheln dann ins Rampenlicht. Bei Bryan weiß man sofort, dass er einen Sinn für das große Ganze hat.

Zudem hat er gute Gene. Er reift hervorragend, so wie George Clooney und Pierce Brosnan: Diese Typen sehen besser aus, je älter sie werden. Bryan ist kein junger Künstlerrebell mehr, sondern ein stilvoller älterer Herr, gelassen und voller Selbstvertrauen. Und das, mit Verlaub, ist wirklich sexy.

Gok Wan, Jahrgang 1974, wirkt in London als Prominenten-Stylist, Modeberater und Fernsehmoderator. Außerdem ist er Autor des Buches „How To Dress: Your Complete Style Guide For Every Occasion“ (HarperCollins).

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