KLANGDOPING

Allein schon die Vorstellung ist toll: Marlies Göhr, Renate Stecher und die legendäre Frauen-Sprintstaffel der DDR haben in den Siebzigern zu Ost-Krautrock und frühen Technoklängen trainiert. Eingespielt vom Dresdener Trickfilmmusiker Martin Ziechnete, der sein Faible für Kraftwerk in die Dienste der ambitionierten Leichtathletik-und Turner-Mannschaften stellen wollte. Eine Vision, die schließlich bei den strengen Sportfunktionären Anklang fand. Jedenfalls bekam Ziechnete im Olympiajahr 1972 den Auftrag, leistungsfördernde Sounds aufzunehmen. Und bis 1983 soll der emsige Tüftler an seinem musikalischen Ertüchtigungsprogramm gebastelt haben. Diese historische Schnurre geistert seit einiger Zeit durchs Netz. Sind doch die verschollen geglaubten Bänder jüngst wieder aufgetaucht. Das Label Unknown Capability Records aus Edinburgh brachte diese auf dem Album „Kosmischer Läufer, Volume One“ heraus; Katalognummer UCKL 001. Seit dieser Veröffentlichung spekuliert die Netzwelt, welch ausgefuchster Retro-Elektroniker hinter diesem sauber ausgedachten Projekt stehen mag. Schließlich existiert seit Monaten ein Interview mit Ziechnete, das sich in weiten Teilen wie eine westdeutsche Fantasie des ostdeutschen Musik-Undergrounds liest. Auch die kosmischen Sounds selbst klingen perfekt unperfekt. Analoge Synthie-Flächen, die so oder ähnlich wohl kaum die Trainingsübungen zwischen Karl-Marx-Stadt und Rostock begleitet haben können. Selbst die Online-Redaktion des New Yorker Magazins „Spin“ versuchte sich in DDR-Recherche und verwies vorsichtshalber auf allerlei Fake-Vorläufer. Etwa die Unterwasser-Ambient-Sounds „Science Of The Sea“ des schöngeistigen Meeresbiologen Jürgen Müller, die letztlich aus dem Rechner des Produzenten Panabrite aus Seattle stammten. Der mythenumrankten (ost-)deutschen Elektronik ist offenbar alles zuzutrauen.

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