King Creosote: Rückkehr zum Ich
Kenny Anderson von King Creosote geht zurück zum Indie-Label.
Was war das für ein Schimpfen und Nörgeln, als Kenny Anderson alias King Creosote vor ein paar Jahren bei dem mit Warner verbundenen Label 679 unterschrieb. Ausgerechnet Anderson, der ja Mitte der Neunziger sein eigenes Label Fence Records gegründet hatte, um von der Musikindustrie unbehelligt zu bleiben.
Das aus diesem Label entstandene Fence Collective wurde recht schnell zu einem der lebendigsten und kreativsten Netzwerke des UK. Mittlerweile sind rund 40 Musiker unter diesem Banner versammelt, die Kollaborationen sind so vielfach, dass man kaum den Überblick behält. Soviel künstlerische Freiheit und Romantik!
Da konnten viele nicht nachvollziehen, dass Anderson zur Industrie ging. „Die Leute von 679 kamen zu mir und sagen, du machst deine Musik jetzt seit 15 Jahren, und wohin hat es dich gebracht?“, erzählt Anderson. „Und sie hatten ja recht. Ich wollte natürlich gern ein größeres Publikum erreichen und international spielen. Die Konzession, ihnen ein paar Songs unter vier Minuten zu liefern, war sehr klein.“
In der Tat hat sich Anderson ja nicht verraten mit den zwei für 679 produzierten Alben, „KC Rules OK“ und „Bombshells“, die aus King Creosote einen neuen Badly Drawn Boy machen sollten. Der Folk war vielleicht etwas griffiger und weniger abenteuerlich, doch genauso schön wie vorher. Aber jetzt ist Anderson bei Domino- einem Label, das den Charme der experimentellen Wohnzimmeraufnahme erlaubt, aber die Möglichkeiten hat, eine größere Öffentlichkeit anzusprechen.
Das neue Werk, „Flick The Vs“, siedelt Anderson zwischen den genannten beiden Platten an, man hört die Strukturiertheit und experimentelle Freiheit gleichermaßen. Es entsteht ein weicher, phantasievoll arrangierter, aber wohl irgendwie schottischer Indie-Folk-Pop. Für Anderson ist die Platte eine Art Heimkehr.
„Die Zeit mit 679 war schon manchmal etwas anstrengend“, gibt er zu, „da hatten Leute für mich Geld investiert und erwarteten eine Gegenleistung- Popstrukturen, ein großes Gitarren-Riff, du weißt schon. Außerdem habe ich mich ein bisschen von mir selbst entfernt. Früher waren Kenny Anderson und King Creosote ein und dieselbe Person. Aber durch all die gestylten Fotos und das Businessmäßige war da plötzlich eine Spaltung, die mir gar nicht gefiel.“
Die gibt es jetzt nicht mehr. Anderson hat zum Teil wieder Zuhause mit seiner Acht-Spur-Maschine aufgenommen und mit vielen Freunden des Fence-Kollektivs zusammengearbeitet.
Jörn Schlüter