kinderKram

Werden die sogenannten Atzen zur echten Jugendbewegung? Joachim Hentschel wägt ab.

Die Leute muss es immer schon gegeben haben: irre party people ohne jeden Hedonismus, selbsterklärt stumpf, nur im abstrakten Sinn stylish, die den ganzen Sommer lang Après-Ski feiern. Prolls nannte man sie früher, aber es gab sie auch im bürgerlichen Milieu. Und eigentlich glaubte man, sie wären so etwas wie der Nullpunkt der Jugendkultur, die völlige Abwesenheit jeglicher Stammes-Features. Seit ungefähr letztem Jahr hat das Nichts-Sein aber einen Namen, weshalb es schon per Definition etwas sein muss: Atzen. Altberliner Dialekt für „großer Bruder“ oder kurz für „Asoziale Teenager zeigen eigenen Nichtsnutz“, geerbt vom Elektroschock-Blödel-Duo Die Atzen (Foto), das 2010 auch dadurch auffiel, dass viele Fußballnationalspieler ihren Song „Das geht ab“ kannten. Jetzt doch eine Jugendkultur, liest man, die ihre Erkennungszeichen hat. Zum Beispiel werden irgendwie nie Bindestriche verwendet, weshalb die jungen Leuten „Atzen Musik“ hören (säurehaltige Techno-Schlager), „Atzen Style“ tragen (neonbunte Freizeitmode) und „Atzen Bilder“ ins Internet stellen (HipHop-Gestik mit Bierflaschen). Die zwei Ur-Atzen haben nun sogar einen „Atzenkodex“ veröffentlicht (in einem Wort, riva Verlag, 9,99 Euro), der aber auch schon auf den ersten Seiten das Dilemma reflektiert, dass man für Leute, die konsequent nach dem Lustprinzip leben, ja gar keine Regeln aufstellen könne. Im Kern ist das auch die Misere der FDP – deren endgültiger Niedergang nicht zufällig in eine Zeit fällt, in der auch die eben eingeführten Atzen schon wieder auf dem Rückmarsch sind: Die Netzadresse atzenparty.com zum Beispiel steht schon zum Verkauf. Aber die besten Besäufnisse feiert man eh auf dem eigenen Balkon, und dafür braucht man keine Website.

Was man gerade auf dem schulhof hört

Ardian Bujupi „This Is My Time“

Taio Cruz feat. Flo Rida „Hangover“

Cher Lloyd „With Ur Love“

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