Kinder Kram)
Wie steht es in der modernen Welt mit der alten Tradition des Kinderchor-Singens? Joachim Hentschel lauscht.
Als pädagogische Wertanlage und Horte der musikalischen Früherziehung sind Kinderchöre hoch geschätzt, nur dass die Ergebnisse anschließend auch jemand anhören muss – da liegt der Fehler im System. Wie Millionen bestätigen können, die leichtsinnig zu Provinzkunst-Vernissagen und Richtfesten gingen, ohne vorher ins Programm zu schauen. Daher finden es die meisten auch gar nicht schlimm, wenn das gemeinsame, schrille Volksliedersingen bei jungen Leuten immer unbeliebter wird und die eitlen Eltern ihre Kleinwüchsigen lieber zu Show-Castings schicken. Aber was für eine Wucht ist in diesem Klima die Ankunft des PS 22 Chorus, eines echten Fünfte-Klasse-Kinderchors aus Staten Island, New York. Geleitet vom zopfhaarigen Musiklehrer Gregg Breinberg, dem der Idealismus aus jedem Grübchen springt – und der seine Eleven zuletzt mehrstimmig und grandios „Lisztomania“ von Phoenix, „Zebra“ von Beach House und „I Am Not A Robot“ von Marina & The Diamonds vortragen ließ. Auf YouTube hat er vor Jahren einen Kanal mit Performances seiner Schüler eingerichtet (agreggofsociety), dessen Videos seit dem jüngsten Hype über 16 Millionen Mal geklickt wurden. Leute gehen ins Internet, um ganz freiwillig Videoclips aus dem Musikunterricht zu hören: Das ist ein Dammbruch in der Historie des Jugendsingens. Und warum? Weil Autotune und Indie-Disco so wunderbar angewärmt werden, wenn ungeduldige kleine Menschen die Lieder singen. Die Nerven, die uns erwachsene Bands rauben, bringen die Kinder uns zurück. Ernsthaft.
Was man gerade auf dem schulhof hört
Apollo 3 „Chaos“
Pixie Lott „Cry Me Out“
Jason Derülo „In My Head“
Saphir „Orchester in mir“