Kiefer Sutherland: „Ich liebe Rock’n’Roll – aber ich wollte Geschichten erzählen“
Kiefer Sutherland im Gespräch über Johnny Cash und Merle Haggard, Knast und Alkohol, Trump und Mexiko.
Aus der Reihe „Das beste aus 30 Jahren ROLLING STONE: ein Gespräch mit Kiefer Sutherland vom 30. Mai 2019.
Als Jack Bauer war er in der Serie „24“ ein Terroristen-Jäger, in „Designated Survivor“ ist er als US-Präsident Tom Kirkman zu sehen. Kiefer Sutherland weiß anscheinend, was das Beste für Amerika ist – nun auch auf der Bühne: Mit „Open Road“ veröffentlicht er sein zweites Country-Album.
Zur Musik kam der 52-Jährige spät, sein Debüt, „Down In A Hole“, erschien vor drei Jahren. Seitdem tritt er auf, wann immer Drehpausen es zulassen.
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Wie wurden Sie von Ihren Vorbildern Johnny Cash und Merle Haggard beeinflusst?
Sie waren in den 70er-Jahren die Vorreiter des „Outlaw Country“, gingen ihren Weg ohne die Grand Ole Opry, die Radiosendung, die von Nashville aus Konzerte übertrug – ohne die lief im Country nichts. Cash hatte Alkoholprobleme, und die Grand Ole Opry schmiss ihn raus. Er sang über die härteren Aspekte des Lebens, über vergessene Menschen, vor allem über solche im Gefängnis, er gab ihnen die Würde zurück. Er inspirierte Häftlinge dazu, bessere Menschen werden zu wollen.
Und Haggard?
Er sang „Tonight The Bottle Let Me Down“, alles andere als schmeichelhaft sich selbst gegenüber. (Singt:) „Each night I leave the bar room when it’s over, not feeling any pain at closing time“ – so etwas singen Alkoholiker. Das Lied drehte sich um ihn selbst, das wusste man einfach. Diese ehrlichen Songs verleihen einem das Selbstbewusstsein, sich Schwächen einzugestehen. Ich liebe diesen Typen dafür, dass er sein Geheimnis mit mir geteilt hat.
Auf der Bühne sprechen Sie auch von Ihren eigenen Knast-Erfahrungen.
Ich war in Untersuchungshaft, nicht im Gefängnis. Ich wartete dort auf ein Verfahren. Meine längste Zeit betrug drei bis dreieinhalb Monate. Tatsächlich ist es im Gefängnis wohl angenehmer als in U‑Haft. Dort gibt es immerhin Innenhöfe! (Lacht) Im Bezirksknast gibt es keine, da bleibt man in seiner Zelle.
Sie wurden 2007 festgenommen. Wie verbrachten Sie Ihre Zeit in der Zelle?
Ich las sehr viel. Ich hatte vergessen, wie wunderschön es sein kann, zu einem Buch zu greifen. Zu meiner „24“-Zeit, die fast zehn Jahre dauerte, habe ich nur Drehbuch um Drehbuch gelesen.
Wie wurden Sie als Kind musikalisch beeinflusst?
Mein sieben Jahre älterer Bruder hatte eine gigantische Plattensammlung. Ich mochte alles, was er auch mochte. Zum Glück hatte er einen tollen Geschmack: Beatles, Elton John, Boston, Aerosmith. So wurde ich mit fünf zum Led-Zeppelin-Fan. Gleichaltrige hörten da noch die Osmonds. Mit 18 sah er The Police, unmittelbar vor deren Durchbruch, in einer Bar in Toronto. Sieben Wochen später kam „Roxanne“ ins Radio, und die Band füllte Stadien.
Wie kamen Sie dann ausgerechnet zum Country?
Ich liebe Rock’n’Roll und R&B. Aber ich wollte Geschichten erzählen, und speziell Country hat in seinen Songs einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Da sind sich Country und der Film ja sehr ähnlich.
Als Agent Bauer und Präsident Kirkman spielen Sie Helden im TV, als Country-Sänger benennen Sie auch Sorgen und Probleme. Wie sehen Sie die politische Situation in den USA?
Natürlich habe ich eine politische Meinung, die behalte ich aber für mich. Es gibt einen Grund für die Existenz von uneinsehbaren Wahlkabinen: weil Wählen ein privater Vorgang ist. Ich unterstütze das. Aber ich erhebe, wie jeder andere es ebenso kann, meine Stimme gegen Ungerechtigkeit. In „24“, „Young Guns“ oder „The Lost Boys“ spielte ich fiktive Figuren, in den Songs jedoch erzähle ich, was mich als Menschen bewegt hat. Das war die härteste Umstellung, die ich je vollzogen habe: Nach 25 Jahren im Filmgeschäft, in denen ich alles tat, um mein Privatleben zu schützen, musste ich als Musiker den Selbstschutzmechanismus aufgeben.
Was denken Sie über Trumps Pläne, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten?
Das ist eine furchtbare Idee, als Vorhaben unrealistisch – und fußt auf einer Lüge. Die USA könnten ohne Arbeitsmigranten nicht überleben. Es gibt einen Grund dafür, dass ich im Supermarkt für weniger als drei Dollar den schönsten Salatkopf kaufen kann. Das liegt an den Tausenden Menschen, die aus Mittelamerika und Mexiko kommen und die gesundheitsschädliche Arbeit übernehmen, die kein Amerikaner machen will. Erdbeeren zu pflücken ist eine der zermürbendsten Arbeiten, die man sich vorstellen kann. Ich hatte eine Farm in Kalifornien. Man hat ja vorher keine Ahnung gehabt, woher die Schale voller Erdbeeren stammt oder die Marmelade, die man genießt.
Wie meinen Sie das?
Es gibt kein „Migrationsproblem“. Die Zahl illegaler Grenzüberquerungen ist in den letzten zehn Jahren gesunken, und zwar auf ein Niveau, das unsere Landwirtschaft bedroht – uns fehlen Arbeitskräfte. Mexiko dagegen geht es wirtschaftlich wieder besser. Schauen Sie sich doch mal an, wo unser Präsident seine Stimmen geholt, die Wahl gewonnen hat: In Nichtgrenzstaaten!