Kevin Ayers
ER LIEBTE DAS LEBEN mehr als den Ruhm, Konzerte und Interviews gingen ihm an die Nerven, und Songs schrieb er nur, wenn er gar nicht anders konnte; die meisten warf er gleich wieder weg. „Ich habe mehrere Regeln“, erklärte er 2007 in einem Interview mit dem ROLLING STONE. „Erstens: Schreibe nicht zwei Lieder, wenn du es in einem sagen kannst. Zweitens: Schreibe nicht in einer Privatsprache. Und drittens: Schreibe nicht über Dinge, die nur an dem einen Tag aktuell sind. Ich möchte etwas schreiben, das Gültigkeit hat, mit dem sich die Leute identifizieren können.“ Man durfte seinen Songs die Anstrengung nicht anmerken, sie mussten leicht sein und lässig, wie er selbst, wenn er in seinen Sneakers durch die Welt tänzelte.
Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte der 1944 in der Grafschaft Kent geborene Ayers größtenteils mit seiner Mutter und seinem Stiefvater, einem englischen Diplomaten, in Malaysia. Mit zwölf kehrte er nach England zurück und litt in Canterbury am Wetter und dem englischen Schulsystem. Ein Trauma, das er mit Robert Wyatt und Hugh Hopper teilte, mit denen er Anfang der Sechziger in der Band The Wilde Flowers spielte, aus der 1966 Soft Machine hervorging. Auf dem eigenwilligen ersten Album der Band von 1968 sorgte Ayers, der eingängige elegante Melodien liebte und die Mystik des russischen Scharlatans Georges I. Gurdjieff, für das Pop-Moment. Sein tiefe Stimme war der ideale Kontrapunkt zu Robert Wyatts hellem jazzinfizierten Organ. Nach einer US-Tour im Vorprogramm von Jimi Hendrix verließ er Soft Machine, weil ihm die Musik seiner Kollegen zu ernst und der englische Regen zu deprimierend wurden. Es zog ihn in wärmere Gefilde. Nach Ibiza, ins Rhônetal, lange lebte er im mallorquinischen Deià. Er nahm einige wundervoll verschrobene Soloalben auf und gab 1974 mit Brian Eno, John Cale und Nico ein heute legendäres Konzert, das unter einer gewissen Spannung stand, da Cale seine Ehefrau am Abend zuvor mit Ayers im Bett erwischt hatte .
Ab Mitte der Siebziger wirkten Ayers Alben bis auf wenige Höhepunkte zunehmend lustlos. Nach dem Tod seines langjährigen musikalischen Partners Ollie Halsall zog er sich Anfang der Neunziger schließlich ganz aus dem Musikgeschäft zurück und ließ sich in Südfrankreich, nahe des kleinen Dörfchens Montlieu am Fuße des Montagne Noir nieder. Ein Nachbar, der britische Künstler Tim Shepard, überredete ihn schließlich zu einem Comeback. Die Beiläufigkeit, mit der „The Unfairground“ von 2007 entstand, passt ins Bild des großen Lebemanns Kevin Ayers. Von Fans wie Norman Blake (Teenage Fanclub) und alten Weggefährten wie Robert Wyatt und Hugh Hopper begleitet, machte er eines seiner besten Alben. Am 18. Februar schlief er zu Hause in Südfrankreich friedlich ein. Er wird vorm Zubettgehen ein Glas seines Lieblingsweins getrunken haben.