Keith Richards: „Die Stones spielen, bis einer den Löffel abgibt“
Im Interview mit ROLLING STONE spricht Keith Richards über die Abneigung gegen moderne Drogen, seine Alkoholabstinenz, das Ende der Stones und Elton John.
In den vergangenen Jahren sind die Stones zu einer Live-Form aufgelaufen, die an die glorreichen Jahre Anfang der Siebziger erinnert. Wie lässt sich der zweite Frühling erklären?
Das ist schwer zu beschreiben, aber der eigentliche Grund ist wohl der: Je tiefer man sich in eine Sache reinkniet – und das auch als positive Tätigkeit erlebt –, desto mehr investiert man von sich selbst. Und so ist es jetzt. Es ist jedes Mal eine Freude, wieder auf die Bühne zu klettern, vor allem wenn man mit dieser Band spielen darf. Wir sind wirklich füreinander gemacht. (Lacht) Man hat das Gefühl, einen alten Handschuh überzustreifen, der einem wie angegossen passt.
Hat es vielleicht auch mit dem weitestgehenden Verzicht auf Drogen zu tun?
Na ja, alles ist relativ. (Lacht) Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Abstinenz für unsere gute Form verantwortlich ist, denn schließlich haben wir auch in angetörntem Zustand tolle Sachen auf die Beine gestellt. (Lacht) Letztlich läuft es wohl darauf hinaus, dass wir gern gemeinsam arbeiten und uns dabei immer weiter verbessern. Die Jungs spielen einfach entspannter als je zuvor. Vielleicht ist es ja auch nur die langjährige Erfahrung. Wir scheinen jedenfalls in der Lage zu sein, immer genau das richtige Tempo zu gehen und die richtige Dosierung zu finden.
Greifen Sie dann und wann noch zum Alkohol?
Um ehrlich zu sein … nein. Wobei ich nicht ausschließen möchte, dass ich es in sechs Monaten vielleicht doch wieder tue. Ich will mich nicht aus dem Fenster lehnen und rausposaunen, dass ich dem ganzen Zeug nun endgültig abgeschworen habe. Aber seit einigen Monaten habe ich tatsächlich nichts mehr angerührt.
Und wie fühlt sich das an?
Es ist eine gänzlich neue Erfahrung. (Lacht)
Die bevorzugten Drogen der jungen Generation scheinen verschreibungspflichtige Sedativa wie Xanax und Oxycodon zu sein.
Ich weiß. Die heutigen Drogen interessieren mich aber sowieso nicht mehr. Sie sind unpersönlich und austauschbar geworden. Und davon abgesehen: Ich hab sie sowieso alle mal ausprobiert, aber irgendwann kommt der Punkt, wo sie einem nichts mehr bedeuten.
Es ist bekannt, dass Mick Jagger ein rigoroses Fitnessprogramm durchzieht, um selbst als Mittsiebziger noch in Topform zu bleiben. Wie sieht Ihre körperliche Routine aus?
Na ja, Routinen sind mir grundsätzlich suspekt. (Lacht) Wenn mir bewusst wird, dass ich Teil einer Routine werde, dann ziehe ich automatisch die Notbremse. Micks Vater war Turnlehrer – also wuchs Mick mit diesem ganzen Kram auf. Er ist mit seiner Routine uneingeschränkt glücklich. Ich mache mir manchmal schon so meine Gedanken, wie seine Gelenke die ganze Joggerei überleben sollen, aber irgendwie kriegt er’s auf die Reihe. Es passt zu ihm.
In jüngster Zeit haben diverse Pop-Großmeister ihre Abschiedstourneen angekündigt: Elton John, Paul Simon, Neil Diamond …
Prima, das schafft mehr Platz für uns! (Lacht)
Was müsste passieren, damit die Stones ihre letzte Runde einläuten?
Einer von uns müsste den Löffel abgeben. Wir haben noch nie in unserem Leben ein Wort darüber verloren, aber irgendwann wird der Tag wohl kommen. Doch nicht in absehbarer Zukunft! Wir sind voll darauf konzentriert, ungerührt so weiterzumachen wie bisher.
Elton John hat angekündigt, seinen endgültigen Abschied am Ende einer dreijährigen Welt-Tournee zu feiern.
Das glaube ich ihm aufs Wort. Drei Jahre Tour mit Elton treiben jeden in den Ruhestand.
Sie haben sich im Lauf der Jahre so manche Scharmützel mit Elton John geliefert. Wird er Ihnen fehlen, wenn der letzte Vorhang gefallen ist?
Überhaupt nicht! Was aber nichts daran ändert, dass er eine liebenswerte alte Schachtel ist, die mit zunehmendem Alter nur noch kuschelweicher wird. (Kichert)
Das Gespräch ist ein Auszug aus dem ROLLING-STONE-Interview mit Keith Richards, das in der Juni-Ausgabe des RS erschien.
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