Keith Flint: Leben und Tod des legendären The-Prodigy-Frontmanns

„Wie ein Hofnarr, der auf den Ausbrecher einer Irrenanstalt trifft“: So beschrieb sich Keith Flint selbst.

Am 4. März 2019 kam die Nachricht: The-Prodigy-Frontmann Keith Flint ist tot. Flint hatte sich im Alter von 49 Jahren das Leben genommen. Wir erinnern uns an eine der schillerndsten Figuren der elektronischen Musik.

„Ich spare nicht für irgendetwas. Ich hole mir jetzt alles ab“, zitiert die britische Zeitung „The Sun“ eines von Flints letzten Interviews mit dem Journalisten Matt Blake. Darin bezeichnete er sich selbst als „Hofnarr, der auf einen Ausbrecher aus einer Irrenanstalt trifft“. Und hatte bereits die düstere Prophezeiung: „Ich hatte schon immer dieses Gefühl in mir, dass ich mich umbringen werde, wenn ich fertig bin.“

Keith Flints schwierige Kindheit

Alles geben, nichts aufsparen. Here went the firestarter. Keith Charles Flint wurde am 16. September 1969 im britischen Worthing geboren, einer Stadt am Meer in Südsussex. Er wuchs zunächst urban in East London auf. Später zogen seine Eltern mit ihm in eine Vorstadt namens Springfield in Essex. Flints Kindheit war alles andere als glücklich, das Verhältnis zu seinen Eltern (die sich scheiden ließen, als er noch ein Kind war) schwierig.

Besonders mit seinem Vater Clive kam es immer wieder zu groben Streitigkeiten. Flints The-Prodigy-Kollege Leeroy Thornhill erinnerte sich 1997 im Interview mit „The Quietus“: „Sein Vater ist ziemlich erfolgreich, und weil Keith ein bisschen modisch war und dann ein Biker, gab es so einen Konflikt. […] Ich kann mir vorstellen, dass sein Vater etwas mehr von ihm erwartet hat, als er bekommen hat. Ich hätte es verdammt gehasst, mit ihm zur Schule zu gehen.“

Flint ging nicht gern zur Schule, sehr zum Missfallen seiner Eltern. Dass er dyslexisch war, machte seine Schulzeit für ihn noch schwieriger. „Ein schlauer Junge mit Dyslexie“ war er, hieß es seitens der Schule. Weil Flint aber alles andere als ein folgsamer Schüler war und schon mal ausrastete, wurde er mit 15 Jahren von der Schule geschmissen. Die nächsten Jahre arbeitete Flint als Dachdecker.

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Heimat in der Acid-House-Szene

Als in den 1980er-Jahren die Acid-House-Szene in England entstand, fand Flint gleichermaßen Berufung und Heimat. Dass Flint in Braintree, wo er seit einiger Zeit wohnte, seinen späteren Bandkollegen und The-Prodigy-Mastermind Liam Howlett auf einem Rave traf, war eine glückliche Fügung des Schicksals.

Howlett gab Flint ein Tape seiner Musik – und Flint schlug enthusiastisch vor, dass Howlett die Musik unbedingt auf die Bühne bringen müsse. Er selbst, so sein Vorschlag, würde, gemeinsam mit seinem Kumpel Leeroy Thornhill, dazu tanzen. Ungefähr so kam es auch, denn Flint wurde Tänzer für The Prodigy.

The Prodigy: Keith Flint, Leroy Thornhill, Liam Howlett, 1992

Flint wird zum Frontmann und Firestarter

Erst bei Album Nummer drei, dem genreprägenden „The Fat Of The Land“, übernahm Flint eine neue Rolle: die des MCs. Auf vier Songs gab er den Frontmann: „Breathe“, „Serial Thrilla“, „Fuel My Fire“ und natürlich dem Überhit „Firestarter“. Flint wurde zu dem Gesicht von The Prodigy. Zur ikonischen, exzentrischen Frontfigur. Hedonistisch, irre, unter Dauerstrom. Einer, an den man sich sofort erinnerte.

The Prodigy avancierten zu einem der wichtigen Acts der elektronischen Musik, ließen Genregrenzen verschwinden. Heavy-Metal-Fans, die elektronische Musik vorher so gemieden hatten wie der Teufel das Weihwasser, feierten plötzlich zu den Klängen von The Prodigy. Metal-Magazine nahmen sie auf das Cover. Flint im Stars-and-Stripes-Strickpullover, die Haare abrasiert, nur links und rechts gefärbte, wie Teufelshörner aussehende Haarbüschel, dazu das Septum- und andere Piercings.

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Flint selbst erklärte immer wieder, dass es zur Musikkarriere wenig Alternativen gegeben hätte. „Fällt Ihnen noch eine andere Arbeit ein, die ich machen könnte? Meine Schulnoten waren schrecklich und ich weiß nicht, wie man tapeziert oder irgendetwas anderes macht“, zitiert ihn „Essex Live“. „Ohne diese Gruppe und diese Arbeit könnte ich das Leben aller ein wenig elender machen, indem ich irgendwo bei McDonald’s der Böse an der Theke bin. Denken Sie darüber nach“, so Flint weiter.

Flints Adrenalinkick

Für Flint war das Performen stets ein Adrenalinkick. „Oh, ich mach mir in die Hose. Das Gefühl, bevor ich auf die Bühne ging, war wie bei einem Fallschirmsprung“, erzählte er einmal gegenüber „Hotpress.com“. „Du bist da draußen, es gibt kein Zurück und das ist dasselbe wie ein Sprung aus dem Flugzeug“, so Flint weiter.

Für Flint, das verriet er in demselben Interview (The Prodigy waren damals gerade auf ihrem absoluten Höhepunkt ihrer Popularität), ging es einfach darum, sich auszuleben. „Letztendlich habe ich keine Angst, mich auszudrücken. Ich habe eine Persönlichkeit und ich drücke sie aus, ich lebe, und es gibt viele Menschen, die in der sehr kurzen Zeitspanne, die man Leben nennt, kommen und gehen, und sie haben den Moment nicht gelebt“, meint er.

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„Es geht nicht um deine Haare oder darum, welche Kleidung du trägst, sondern darum, das zu tun, was du tun willst, und dich nicht von der Gesellschaft oder der Eifersucht anderer Menschen aufhalten zu lassen. Wenn ich mir Metallteile ins Gesicht stecken und meine Haare hochstecken will, dann will ich das eben tun. Ich habe den Mumm dazu. Andere Leute, die nicht den Mumm dazu haben, werden sterben, ohne sich selbst erfüllt zu haben, während ich mit einem Lächeln auf den Lippen sterben werde.“

Keith Flint von The Prodigy (1969-2019)
Keith Flint von The Prodigy (1969-2019)

Motorsport und andere Projekte

Seine Kicks suchte Flint aber auch woanders. In Drogen, klar. Aber auch im Motorsport. 2013 gründete er ein eigenes Motorrad-Rennteam, das Team Traction Control (TTC). Mit Erfolg: Das Team gewann vier Isle of Man TT-Rennen in den Jahren 2015 und 2016 und nahm außerdem an der British Superbike Championship teil.

Flint kaufte und restaurierte einen Pub namens The Leather Bottle und errichtete dort einen besonderen Brauch: Jedes Mal, wenn ein Gast einen Firestarter-Witz machte, musste der Gast ein Pfund einwerfen. Einen Prodigy-Pilgerort wollte er keinesfalls errichten: „Wenn Fans kommen, müssen sie schon in einer kleinen Spelunke sitzen und echtes Ale trinken wollen. Mein Ziel ist es, den Leuten richtig gutes Ale zu verkaufen und eine Spelunke zu sein und kein Gastropub oder etwas, das die Seele aus dem Ganzen nimmt, sondern ein Teil des Dorfes und des Dorflebens zu sein und eine gute Zeit zu haben.“ Flint versuchte sich auch außerhalb von The Prodigy, etwa mit seinem Punkprojekt Flint.

Keith Flints Tod

Dass Keith Flint gegen Depressionen und Dämonen kämpfte, war bekannt. Mit allen Mitteln, legalen wie illegalen. Über seinen Kampf mit mentaler Gesundheit in den frühen 2000er-Jahren sagte er gegenüber Matt Blake: „Es war eine dunkle Zeit … Ich trank und nahm zu viele Drogen. Das Problem ist, dass man jede Menge Geld und jede Menge Zeit hat und alles, was man tut, ist, nach einem Kick zu suchen … Ich kam an einen Punkt, an dem ich aufhören musste. Ich wollte kein sabberndes Wrack sein.“

2006 heiratete er Mayumi Kai, die Ehe hielt bis 2019. Leider kam es an besagtem Märztag zu dem, was er selbst prophezeit hatte. Um 8 Uhr morgens suchte die Polizei sein Anwesen auf und fand Flint tot auf. Noch am selben Tag bestätigte Liam Howlett, dass sein Bandkollege den Freitod gewählt habe.

„Die Nachricht ist wahr“, schrieb Howlett auf Instagram. „Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber unser Bruder Keith hat sich am Wochenende das Leben genommen. Ich bin geschockt, verdammt wütend, verwirrt und untröstlich … Ruhe in Frieden, Bruder.“

Martyn Goodacre Getty Images
Simone Joyner Getty Images
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