Keith Caputo
Dem "Macho-Metal" von Life Of Agony hat der Sänger längst abgeschworen. Seit er solo ist, will er die weibliche Energie in sich entdecken - und als Songwriter ernst genommen werden
Neben den Briten Coldplay und Toploader wird im Dezember bei der dritten Besetzung der Roadshow auch der amerikanische Songwriter Keith Caputo samt Band dabei sein. Damit ist gesichert: Es werden spannende Abende werden.
Auf dem Handgelenk von Keith Caputo prankt eine bunte Lotusblume, die der Sänger immer wieder berührt, wenn er im Gespräch den Faden verliert oder eine Frage unangenehm findet. Das Geheimnis dieser Tätowierung? „Sie strahlt weibliche Energie aus“, sagt der Italo-Amerikaner mit dem ernstesten aller Gesichter. „Für mich fließen aus dieser Blüte positive Vibes, zärtliche Gefühle, sanfte Schwingungen.“
Man merkt es schon: Keith Caputo ist ein bisschen anders ab andere Menschen. Etwas verschrobener, sensibler auch – aber definitiv talentiert.
Vor drei Jahren riskierte er Hals über Kopf seine recht ansehnliche Karriere und fing noch einmal von vorne an. Schließlich war er damals erst 24 – und seit sieben Jahren bei einer Band, zu der er überhaupt nicht passte. Als Caputo bei Life Of Agony einstieg, tat er das – sagt er zumindest heute – vor allern, weil er seinen Schulfreunden helfen wollte: „Diese teenage-angst-Musik hat mich nie interessiert. Ich wollte nur mit meinen Kumpels rumhängen und sie unterstützen, aber in all den Jahren wurde ich nie zum Life Of Agony-Fan, im Gegenteil. Ich merkte immer mehr, dass ich nicht zu dieser Szene gehörte.“
Allzu oft ging ihm die „Macho-Attitüde“ seiner Freunde auf die Nerven, aber man raufte sich drei Alben lang zusammen. Sogar einen veritablen Radio-Hit („Weeds“) gab es für die Band aus Brooklyn, die mit Hardcore angefangen hatte und sich am Ende eher einem 08/15-Alternative-Rock näherte. 1997 zog Caputo die Konsequenzen und stieg aus. Lapidare offizielle Begründung: „Wenn man jemanden liebt, muss man auch loslassen können.“ Leider entschloss er sich dazu gerade ein paar Tage vor einem Dutzend Europa-Konzerten, was den Rest der Combo dann doch etwas ärgerte – zumal Caputos interne Erklärung komisch klang: Angeblich hatte ihm seine Wahrsagerin von der Tournee abgeraten.
Tatsächlich war es eine schlaue Entscheidung, wie sich Anfang des Jahres herausstellt. Während sich Life Of Agony längst ins kreative Abseits manövriert haben, präsentiert Caputo eine erfreuliche Überraschung: Sein halbakustisches Soloalbum „Died Laughing“ klingt besser als alles, was Life Of Agony je zustande gebracht haben. „Romantisch und gespenstisch, zerbrechlich und zärtlich“ beschreibt er das Singer/Songwriter-Werk stolz – und fügt als Warnung an alle alten Fans hinzu: „Es ist gar nicht Metal. Ich besitze keine einzige Metal-Platte, sondern wuchs mit den Doors auf, mit Pink Floyd und Led Zeppelin. Davon wurde ich inspiriert.“
Als esoterische Kiffermusik sollte man die Songs des Yoga-Fans allerdings nicht abtun. Dafür haben sie zu viel Biss. So behauptet er bei „Cobain (Rainbow Deadhead)“, der Nirvana-Sänger sei ermordet worden, bezeichnet sich selbst an anderer Stelle als „krank im Kopf“ -und klingt am Ende doch, als sei er auf dem Weg der Besserung. Seit er nicht mehr so viele Drogen nimmt und – Ironie des Schicksals – in Amsterdam lebt, geht es ihm ganz gut „Es ist eine gewisse Ruhe in mein Leben eingekehrt. Ich bereue die Zeit mit Life Of Agony nicht, aber jetzt bin ich viel glücklicher und zuversichtlicher.“
Zwischenzeitlich dachte er sogar darüber nach, seine Ausbildung zum klassischen Konzertpianisten wieder aufzunehmen, aber dann siegte die Liebe zur Rockmusik über die Verachtung für die Unterhaltungsindustrie: „Die Wissenschaftler in den oberen Etagen haben kein Herz, damit muss man einfach leben. Sie setzen dich wie eine Ratte ins Laufrad und warten, was passiert“ Immerhin dürfte ihnen Caputo emsig genug sein. Am 20.11. erscheint „Died Laughing Pure“, die Akustik-Live-Version seines Debüts, die andeutet, wie großartig seine Gigs sein können: Wenn der Sänger in Stimmung ist, singt er wie von einem anderen Stern und macht sich nicht einmal lächerlich, wenn er mit voller Wucht Annie Lennox‘ „Why“ intoniert. Hin und wieder lässt er sich ein Sofa samt Stehlampe auf die Bühne stellen, manchmal (wie für die Roadshow) engagiert er auch eine Band, die dann rocken darf – aber nur dezent: „Ich möchte, dass die Leut jetzt auf meine Songs hören und nicht nur ihren Kopf im Takt schütteln. Ich will mehr bewegen.“