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Keine Regeln! Ein Leitfaden für Songwriter
Paul Weller, Billy Bragg und Burt Bacharach verraten Tricks und Tücken. Ein kleiner Leitfaden in zwölf Schritten von John Lewis.
Ein guter Einstieg in unseren bebilderten Leitfaden für Songwriter: Eine handgeschriebene To-Do-Liste von John Lennon. Und nun geht's los...
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Ein guter Einstieg in unseren bebilderten Leitfaden für Songwriter: Eine handgeschriebene To-Do-Liste von John Lennon. Und nun geht’s los…
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1. Nimm ein Notizbuch mit
„Alle Songwriter haben ein Notizbuch bei sich“, sagt Billy Bragg (Foto). „Immer. Man weiß ja nie, wann einem etwas einfällt.“ Peter Waterman ergänzt: „Du hörst kleine Schnipsel einer Unterhaltung, Witzeleien, Klischees, Wortspiele, solche Sachen eben. Und das ständig. Phrasen wie ‚I should be so lucky‘, ‚Better the devil you know‘, ‚Showing out‘, ‚Roadblock‘ – das waren alles Sprachfetzen, die ich bei Unterhaltungen aufgeschnappt habe. Ich weiß auch noch, wie ich sie alle aufgeschrieben habe. Urplötzlich ergeben sich lauter Verbindungen, und damit kannst du arbeiten.“
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„Man sollte immer einen Block und einen Stift auf dem Nachttisch liegen haben“, rät Elvis Costello (Foto). „Wenn diese witzige Zeile oder die geniale und schon völlig ausgeformte Idee mitten in der Nacht kommt, erinnerst du dich sonst am nächsten Morgen nicht mehr daran. Und man sollte üben, im Dunkeln zu schreiben.“
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2. Unsinn singen
Eine Melodie ist da und auch schon ein paar Akkorde dazu. Jetzt fehlt also noch ein Text. Legendär, wie Paul McCartney (Foto) die Arbeit an „Yesterday“ mit dem Zweizeiler „Scrambled eggs/ How I love the smell of scrambled eggs“ begann. Paul Weller dagegen hat bei „Going Underground“ mit einem Gitarrenriff angefangen und gemerkt, dass sich Worte daraus ergaben. „Ich habe immer wieder ‚The public gets what the public wants‘ über die Akkordfolge gesungen. Das hat dann angefangen, die Stimmung des Songs zu prägen.“
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Unsinn zu singen, ist eine bei Songwritern sehr beliebte Arbeitsweise. „Ich habe so einen alten Ghetto-Blaster am Piano stehen“, sagt Gilbert O’Sullivan (Foto). „Sobald ich Akkordfolge und Melodie habe, fange ich an, bedeutungslose Silben darüberzusingen. Das nehme ich dann auf, und beim Anhören klingt immer etwas von dem Zeug wie richtige Worte oder Sätze.“ So hat das auch Frank Black mit den Pixies gemacht. Einiges von diesen Nonsensgesängen hat bis zu den abschließenden Sessions überlebt.
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3. Einfach drauflosspielen …
„Wenn du eine Schreibblockade hast, dann nur, weil du verdammt noch mal dein Instrument nicht spielst“, sagt Paul Weller. „Du musst einfach dein Instrument greifen und irgendetwas spielen. Daraus ergeben sich Ideen. Ein Riff führt zu einem Akkord, der zum nächsten Akkord führt. Und bevor du es merkst, hast du den Anfang eines Songs.“ Jamie Reynolds von den Klaxons (Foto) arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip. „Geh in ein Studio, bastle dir einen Groove, sing irgendeinen völligen Blödsinn dazu, leg noch einen Breakbeat dahinter, und los geht’s.“
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… nicht unbedingt auf dem eigenen Instrument
John Lennon (Foto) hatte seine produktivste Phase als Songwriter in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren, als er die Gitarre zur Seite legte und damit begann, auf dem Klavier zu komponieren. Weil er auf dem Klavier nicht so gewieft war, vermied er die abgedroschenen Phrasen, die er sonst auf der Gitarre gespielt hätte. „Ein Zweitinstrument zu spielen, ist ein guter Weg aus der kreativen Sackgasse“, findet auch Paul Weller. „Sich auf Neuland zu begeben, hilft oft. Zum Beispiel spiele ich mit der rechten Hand einen Klavierakkord und mit der linken Hand eine davon völlig losgelöste Basslinie – so was bekommt man mit der Gitarre nicht hin.“
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4. Nicht mit jedem zusammenarbeiten
Schallplattenfirmen sind immer scharf darauf, hoffnungsvolle junge Musiker mit anderen Schreibern in einen Raum zu sperren; in der Hoffnung, dass es so funkt wie etwa zwischen Robbie Williams und Guy Chambers (Foto). So hätten sie es auch im Brill Building gemacht, sagt Burt Bacharach. „Die haben uns in einem Raum mit einem Piano gesteckt. Man muss bedenken, dass wir damals Kids waren, gerade mal dem Teenager-Alter entsprungen, und sie haben uns dazu gebracht, Songs innerhalb von ein paar Stunden zu schreiben. Aber dieser Druck hat oft funktioniert.“
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Das funktioniert nicht immer, aber auch die schlimmsten Erfahrungen haben ihren Vorteil. „Manchmal bist du mit einem erfahrenen Songschreiber in einem Raum“, sagt KT Tunstall (Foto). „Auch wenn vielleicht nichts dabei herauskommt, aber du lernst eine Menge einfach nur dadurch, dass du siehst, wie andere arbeiten.“
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Das findet Weller nicht. „Mit Co-Autoren bin ich nie klargekommen. Bei Style Council (Foto) bin ich manchmal mit einem Text angekommen, zudem Mick (Talbot) dann die Musik geschrieben hat. Aber mich mit jemand anderem in einen Raum setzen, auf zwei Gitarren zu klimpern und herumzudiskutieren – ich glaube, das könnte ich nicht. Dafür bin ich zu gehemmt. Songs zu schreiben, ist für mich etwas sehr Persönliches. Ich und Noel (Gallagher) oder Bobby G (Gillespie) haben immer mal wieder darüber gesprochen, etwas gemeinsam zu schreiben. Aber wir würden das nicht zusammen in einem Raum tun. Ich mag das Konzept vom Langstrecken-Komponieren, ein Riff oder einen Backingtrack aufzunehmen und das dann zu versenden; die andere Person bringt Ideen ein, werkelt ein wenig daran herum und sendet das zurück. So haben es Graham Coxon und ich kürzlich gemacht. Und es funktioniert prima.“
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5. Disziplin bewahren
„Songschreiben ist Arbeit“, sagt Peter Waterman (Foto links). „Du kannst nicht erwarten, dass dir Gott mit einem fertigen Song eins auf die Rübe gibt. Du musst daran arbeiten.“ Genau wie Paul McCartney, Gilbert O’Sullivan, Randy Newman und Chris Difford arbeitet auch Waterman vom Büro aus. Wenn sie schreiben, verlassen sie das Haus und gehen einem Neun-bis-fünf-Job als Songwriter nach.
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Ian Dury (Foto) wiederum arbeitete nachts mit einem DIN-A3-Block an seinen Ideen. Den großen Weißraum füllte er mit Zweizeilern, Handlungen, Beschreibungen von Songcharakteren und generellen Ideen. Elvis Costello macht etwas Ähnliches. Er benutzt DIN-A2-Blöcke, um darauf Notizfragmente zu übertragen, die sich in Kladden und auf Diktafonen angesammelt haben. „In kürzester Zeit“, sagt Costello, „sieht die Seite aus wie so eine irre Gleichung – mit all diesen bunten Markern, die eine Strophe mit der anderen verbinden.“
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Es gibt andere, die eine etwas willkürlichere Arbeitsweise vorziehen. Paul Heaton (Foto) etwa schnappt sich gern seine gesammelten Notizen, fliegt in ein fremdes Land, um dort an ihnen in einem Hotel zu arbeiten. „Meine besten Texte schreibe ich, wo niemand Englisch spricht“, sagt er. „Da bist du einsam und isoliert, was gut für die Kreativität ist.“
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6. Sich auf eine Geschichte fokussieren
Smokey Robinson (Foto) überredete einst Stevie Wonder, Erzählstrukturen für seine Songs zu entwerfen. „Stevies Musik war immer brillant“, sagt Smokey, „aber als er noch ein Teenager war, waren seine Texte ein einziges Durcheinander. Da stand jemand im Regen, im nächsten Augenblick befand er sich in einer Beziehung, dann ging es plötzlich wieder um eine ganz andere Person. Er hat mir erzählt, dass er nur Sachen kopiert hat, die er in meinen Songs gehört hatte. Aber er hat gelernt, dass man eine Story, einen erzählerischen roten Faden braucht, der die Worte verbindet.“
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„Bei jedem Song, den ich geschrieben habe, hatte ich dieses Mädchen im Kopf. Sie hieß Bernadette“, erzählt Lamont Dozier (Foto) über eine frühere Kollegin bei Motown. „Ich habe alle Emotionen zusammengefasst, die sie bei mir ausgelöst hat, und habe dann versucht, diese in einem Song nachzuempfinden. Große Songs handeln von Aufrichtigkeit, von Dingen, die dein Herz bewegen. Wenn es dir gelingt, diese Gefühle in eine Geschichte zu kleiden, hast du den Anfang eines großen Songs.“
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7. Mehr schreiben als nötig
„Ich tendiere dazu, zu viele Verse zu schreiben“, sagt Nick Cave (Foto). „Sobald ich eine Geschichte habe, empfinde ich das Schreiben als einfach. Im Studio streiche ich sie dann zusammen, sodass die Story manchmal von einer Stelle zur nächsten springt. Ich mag diese Lücken in der Erzählstruktur.“
„Zu viel zu schreiben, ist wichtig“, pflichtet Elvis Costello bei. „Das Herausstreichen schafft etwas Geheimnisvolles. Der Hörer muss sich die fehlenden Verbindungen selbst erarbeiten.“
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8. Pausen machen
David Byrne kommen Ideen beim Radfahren. „Ich halte auf dem Gehweg an und singe meine Ideen in ein Diktafon“, sagt er. Rufus Wainwright (Foto) liegt gern in der Badewanne und schreibt Texte dort, wo „die Akustik gut ist“. Billy Bragg bevorzugt einen Spaziergang. „Ich gehe mit meinem imaginären Hund raus, solange wie nötig. Wenn ich nur zwei Verse brauche, laufe ich eben nur zwei Verse lang. Wenn ich zwei Verse, Refrain und Zwischenteil brauche, muss ich ein bisschen länger laufen. Das schwirrt dann in meinem Kopf herum, und wenn ich nach Hause komme, schreibe ich alles auf.“
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9. Andere Medien nutzen
„So ziemlich jeder Song, den ich bisher geschrieben habe, hat seinen Anfang beim Filmesehen genommen“, sagt Daniel Kessler von Interpol (Foto links). „Gewöhnlich beginne ich den Tag damit, mir eine DVD anzusehen. Dazu spiele ich auf meiner klassischen Gitarre. Es hat etwas Meditatives, sich am Morgen in einen Film zu versenken. Das ist der Kreativität sehr zuträglich.“
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Paddy McAloon findet für seine Songs oft Charaktere und Szenarios in Romanen und Kurzgeschichten; Brian Eno (Foto) hat entdeckt, dass der Besuch einer Kunstgalerie bestimmte Klanglandschaften entstehen lassen kann, während Björk sich schon von vielem hat anregen lassen – von Philosophie-Wälzern bis hin zu klassischen Kompositionen. Marilyn Manson hingegen nennt als seine wichtigsten Einflüsse Nietzsche, den Satanisten-Autor Anton LaVey und Willy Wonka.
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10. Nutze die Technik, aber lasse dich nicht von ihr benutzen
„Technologie sollte als Hilfsmittel benutzt werden, aber nicht als Standard-Requisite“, sagt Peter Waterman (Foto links). „Sie ist beispielsweise praktisch, um einen Drum-Loop auszuarbeiten. Das kann dich in die Stimmung bringen, einen Song zu schreiben, oder den Ideenfluss in Gang bringen. Es wird aber problematisch, wenn jeder dieselbe Technologie benutzt, dieselben programmierten Stimmen. Songschreiber-Programme wie GarageBand können hilfreich sein, aber sie verführen die Leute auch dazu, ihre Songs in einem einzigen Schema zu denken und zu strukturieren. Man hört heute viel Musik, bei der man merkt, wie das komplette Programm genutzt wurde. Zu großartigen Songs führt das nicht.“
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„Leute, die hippe neue Beats so behandeln, als wären sie die Handtasche der Saison, öden mich zunehmend an“, gibt Björk (Foto) zu. „Manchmal braucht man einfach das knallige Live-Schlagzeug, den Krach, die Quinte und die ganzen Unebenheiten, die sich daraus ergeben.“
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11. Deine Songs sind nicht mehr deine, wenn sie fertig sind
„Wenn du einen Song schreibst, wird er fast so etwas wie öffentliches Eigentum“, erklärt Paul Weller (Foto). „Er gehört nicht mehr dir. Er wird Teil des Lebens anderer Menschen. Dreißig Jahre lang haben andere zu meinen Songs getanzt, geknutscht, sich dazu geprügelt oder gebumst. Ein Teil von mir muss den Besitzanspruch aufgeben. Das ist schon ein bisschen demütigend.“
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12. Vergiss alles
Napalm Death haben Songs geschrieben, die nur ein paar Sekunden dauern, Burt Bacharach (Foto) und John Lennon konnten sich nicht mit Songs im Viervierteltakt begnügen. Manche Songs bestehen nur aus einem Akkord. Viele Texte sind Unsinn.
Die wichtigste Regel beim Songwriting ist: Es gibt keine Regeln.
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