Keine Konzerte in Österreich?

Seine beiden Austria-Auftritte waren längst ausverkauft, dann kam die Wahl, und STING wollte spontan absagen. Warum er's nicht tat, erläutert er hier.

Die Frage, ob wir zur Zeit Konzerte in Österreich geben sollen oder nicht, ist für mich und für andere Künstler zu einem Dilemma geworden. Vor ein paar Wochen wurde in Österreich eine Regierungskoalition gebildet, eine rechte Allianz, zu der auch die sogenannte Freiheitliche Partei gehört, geführt von einem charismatischen Populisten namens Jörg Haider. Obwohl die FPÖ als extremistische Partei mit radikalen nationalistischen und ausländerfeindlichen Positionen gilt und sie ideologisch, historisch und emotional mit dem Nationalsozialismus oder der Nazipartei in Verbindung gebracht wird, hat sie bei enttäuschten oder politikverdrossenen Wählern hinreichend Sympathien gewinnen können: Seit einigen Jahren sitzt sie, demokratisch legitimiert, im Parlament jetzt ist sie an der Regierung.

Man darf so etwas nicht unterschätzen. Geschichtsstudenten werden sich erinnern, dass auch Adolf Hitler zuerst auf demokratischem Wege gewählt wurde. Dann schuf er aus dieser Position heraus eine Ein-Parteien-Diktatur, die sich zu einem der verabscheuenswertesten, destruktivsten Regimes in der ohnehin schon oft leidvollen Geschichte unseres Planeten entwickelte. Jörg Haider ist zwar nicht Adolf Hider, die FPÖ ist nicht die NSDAP, aber es gibt genügend Parallelen, um die Alarmglocken schrillen zu lassen.

Natürlich existieren in vielen Ländern der Europäischen Union rechtsextremistische Gruppierungen. Aber hier ist nun zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine solche an die Regierung gekommen. Das ist deswegen so von Bedeutung, weil es ganz leicht auch anderswo passieren könnte: Überall dort, wo solche Parteien innerhalb demokratischer Strukturen existieren und Teile der Gemeinschaft desillusioniert sind von der stümperhaften und oft auch korrupten Politik der Massenparteien, die Europa nun seit über 50 Jahren regieren.

Aber nun zu meinem Dilemma. Ich persönlich soll im Juni zwei Auftritte in Österreich spielen. Beide sind bereits ausverkauft, aber ich muss zugeben, meine erste, spontane Reaktion auf die dortigen politischen Ereignisse war, dass ich mich ernsthaft fragte, ob ich diese Konzerte nicht absagen müsste. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dann doch fürs Spielen entschieden – auch wenn es einige meiner Kollegen für richtig halten, Österreich zu boykottieren. Ich respektiere ihren Entschluss, hoffe aber dennoch, dass ich meine Gründe, nicht abzusagen, hier verständlich machen kann.

Ich glaube nämlich, dass die Philosophie der „Rock the Vote“-Initiative die Ursachen dieses Dilemmas auf den Punkt bringt. Um den Vorsitzenden, Alison Byrne Fields, zu zitieren: „Rock the Vote will jungen Leuten helfen zu erkennen, dass sie die Macht haben, die Themen, die ihnen wichtig sind, zu beeinflussen – Bildung, Gewalt, Gesundheit, Wirtschaft, Umwelt Eine der Möglichkeiten, Einfluss auszuüben, ist die, am politischen Geschehen teilzunehmen – indem man wählen geht, sich äußert, protestiert, Petitionen unterzeichnet, sich und andere informiert oder selbst für ein Amt kandidiert“

Kurz gesagt: Engagement, aktive Teilnahme und Dialog innerhalb des politischen Prozesses.

Wir können die Demokratie nicht drangeben, nur weil uns nicht gefallt, was da unter der Tür durchgekrochen kam. Wir müssen das Problem angehen – durch Engagement und Dialog, mit der Kraft der Vernunft. Einen Kulturboykott gegen Österreich zu verhängen, hätte meiner Meinung nach eher negative Auswirkungen.

Wenn wir noch daran glauben, dass die populäre Kultur das Denken, den Glauben, die Lebensweise der Menschen beeinflussen kann, dann wäre es doch kurzsichtig, das Forum, das uns unsere Arbeit tun lässt, zu zerstören. Denn hast du die dramatische Geste der politischen Verweigerung erst einmal vollzogen, dann hast du auch die Möglichkeit, deine Meinung kundzutun, beschnitten. Du hast kein Forum mehr und machst dich langfristig gesehen selbst überflüssig. Wichtiger noch: Du lässt so die dir Gleichgesinnten innerhalb der Gemeinschaft im Stich.

Die Freiheitliche Partei wird sich nicht auflösen, nur weil ich und ein paar andere Musiker ihre Konzerte in Wien ausfallen lassen. Und man darf eines nicht vergessen: Politischer Extremismus blüht gerade in isolierten Gesellschaften. Wer die Lebensadern der Kultur, des Austauschs von Ideen und freien Meinungen kappt, der serviert die ganze Gesellschaft denjenigen, die sie ihrer eigenen engstirnigen und fremdenfeindlichen Weltsicht unterwerfen wollen, auf einem silbernen Tablett So wie ich es sehe, hat ein kultureller Boykott nur genau einmal funktioniert, nämlich in Südafrika, wo die herrschende Elite von der ganzen Welt verurteilt und geächtet wurde. Österreich aber ist immer noch eine offene Gesellschaft, und die Popkultur ist wichtig, damit das auch so bleibt Wir dürfen all die jungen Leute in Österreich, die mutig und idealistisch für positive Veränderungen kämpfen, nicht sich selbst überlassen. Sie brauchen unsere Unterstützung und unsere Freundschaft „Rock the Vote“ ist eine amerikanische Initiative, die mit unkonventionellen Mitteln (Konzerte, Anzeigen mit Popstars) Jugendliche zum Gang an die Wahlurnen bewegen will. Am 22. Februar wurde Sting mit einem „Rock the Vote“-Award geehrt.

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