Keine Freunde, nur Fans: Mit einem fast schon genuinen Rock-Album kehren sich H-BLOCKX vom erfolgreichen Crossover ab
Es war eine Sternstunde in den Anfangstagen von Viva. Im Frühjahr 1995 hüpften fünf Jungs in kurzen Hosen zu Funk-Rhythmen, Metal-Gitarren und Rap-Gesang durch das Video ihres Songs „Move“ und gelangten mit ihrem Debütalbum „Time To Move“ oben in die deutschen Charts. „Viva besitzt heute eine Macht, die ich schon für gefährlich halte“, sagt Henning, einer der Sänger von H-BlockX. Die Münsteraner haben daran partizipiert und sind seither mit dem dogmatischen Stigma etikettiert, sie seien von der Industrie gemacht. Natürlich aber haben sie bereits Jahre vorher in jeder Kneipe gemuckt. Und mit „Fly Eyes“ sind sie nun bei jenem dritten Album angelangt, bei dem viele Bands ihren Erfolg reflektieren.
Anfangs hat jedes Label ihre Songs, die später auf „Time To Move“ waren, ignoriert. Und in Bewegung kam ihre spätere Plattenfirma auch erst, „als uns einer der Manager fragte, ob wir Biohazard kennen“, erzählt Henning. „Er war erstaunt, daß die in den Charts waren. Und wir wollten sofort mit unserem Album auf den Markt, weil sonst keiner glauben würde, daß es uns vor dem Trend schon gab.“ Der Ruf war trotzdem rasant ruiniert: Die Bilder vom „Bravo“-Fotografen und die Teddybären, die Teenager auf die Bühne warfen, brachten ihnen keine Freunde ein, nur Fans. Und der von Amerikanern entfachte Hype hatte Crossover als Musikstil längst zum Lifestyle erhoben. „Den Begriff gab es in der Musik schon immer, wurde hier aber neu erfunden, um den Boom erklären und vermarkten zu können“, meint Gitarrist Tim. Und für Henning ist Crossover deshalb „keine Entwicklung, sondern ein Zustand. Es gibt nicht mal eine wirkliche Crossover-Szene. Es ist eine Frage, mit wievielen Variablen man spielt, bis die Bezeichnungen dafür immer mehr verschwischt werden.“
„Discover My Soul“ sei ihre Emanzipation von der Plattenfirma gewesen, worauf sie den Trends noch nahe waren. Mit „Fly Eyes“ wollen H-BlockX nun zurück nach vorne. „Wir suchen Abstand zum Crossover“, sagt Henning, „Es ist rudimentärer, scheinbar veraltet.“ Ein genuines, genrehafteres und gelöstes Album, punkig und metalhaft zuweilen, immer gemäßigt, mit verspielten Riffs, famosen Rocksongs und amerikanischem Westcoast. Eine Begriffsirritation bleibt. Wo Henning sie als „progressive Rockband“ sieht, ist es oft eher Post-Grunge, ein Nachklang auf Soundgarden mit epischer Melancholie. Er habe depressive Phasen der letzten Jahre verarbeitet, meint Henning. Vielleicht freut er sich jetzt: Gemessen am Biedersinn, der oft nach amerikanischen Idiomen zusammengerockt wird, gehören H-BlockX allemal zu den besseren deutschen Bands. Auch wenn es sonst niemand merken sollte – oder will.