Kein Märchen: Mit Little Red Riding Hood toben sich die Wingenfelder-Brüder von ihrer Schaftenspause bei Fury aus
Also, Fury In The Slaughterhouse sind nicht verstorben, der Band geht es gut und sie läßt grüßen. „Little Red Riding Hood ist nicht der letzte Atemzug von Fury, eher der erste Atemzug eines Spaßprojektes, damit es Fury wieder besser geht“, erklärt Thorsten Wingenfelder. Und sein älterer Bruder Kai, der seine Sonnenbrille auch im Zimmer trägt, brummt: „Nach zehnjähriger Eigenbefruchtung mit sechs Musikern in einem Raum haben wir das Fenster aufgerissen und frische Luft hereingelassen. Wir haben sechs Monate Pause gemacht, damit sich jeder austoben, Einflüsse von außen aufnehmen und neue Inspirationen in unseren alten engen Kreis einbringen kann. Sonst entsteht immer das gleiche Lied. Seitdem kommen wir bei Fury wieder besser miteinander aus.“ Sicher, das ist verständlich: Ausbruch durchs Fenster zur Welt oder andere gern zitierte Bilder wie „ein Seitensprung frischt eine müde Ehe auf.“ Ah, oder auch nicht?!
Fury sitzen fest im Sattel, benötigen keine Quote und „haben alles gesehen, das den Musik-Zirkus so ausmacht“, sagt Thorsten. Jetzt haben sie getan, was Vedder und Pearl Jam schon lange tun: experimentieren, sich beflügeln lassen jenseits gewachsener Gruppenzwänge. „Sechs Köpfe haben an einem Ding gearbeitet, das Träume verwirklicht hat und Lebensinhalt ist – und doch auch ein Gefängnis. Bei einigen Ideen, die wir mit Little Red Riding Hood umgesetzt haben, wären die Fury-Leute nach Hause gegangen“, sagt Thorsten. „Außerdem war die Trennung von Bassist Hannes Schäfer für alle menschlich nicht easy zu verkraften.“ BAP-Gitarrist Major, der diese Gefühle und Situationen kennt, hat mit den Gebrüder Wingenfelder im Song „Reality In The West“ traurig seine Slide Guitar angestimmt. „Der hat verdammt viel auf dem Kasten“, sagt Thorsten, „aber er steckt in seinem BAP-Gefangnis.“ Spiel dich frei!
Der mitleidheischende Song handelt von ostdeutschen Mädchen, die auf dem westdeutschen Strich enden („The prince on the white horse never appeard“), und es fragt sich, mit wem man mehr Mitleid haben sollte: mit den Mädels oder den Musikern. Die Wingenfelder sind natürlich keine Sarkastiker, sondern nette Bedenkenträger, auch wenn sie im Booklet zu Mttle Red Riding Hood“ in schlüpfrig-schwülem Rotlicht-Dekor posieren. Musikalisch hätte das Stück auch auf eine Fury-Platte gepaßt. „Okay“, sagt Thorsten. „Wir sind Liederschreiber und wiederholen uns mal in unserer Gefühlswelt, da uns gewisse Harmonien liegen.“ In anderen Songs spielen sie aber leicht und launig mit Stilen wie Rap und HipHop-Beats, Dance-Elementen und elektronischen Effekten. In „I Can See My Home“ brechen sie Billy-Idol-Gitarren mit Bläsern und einer Popmelodie, zu der ein orientalischer Engel den Refrain singt In „Idiots And Swindlers“ pluckern die Synthesizer wie bei den späten Depeche Mode. „Als Musiker will man spielen und alles mal ausprobieren“, sagt Kai. „Und es war ein nettes Gefühl, als die Plattenfirmen anriefen und man merkt, daß man Qualität hat.“