Kavaliersdelikt
Wenn Two Gallants spielen, staubt der Westernsand. Das alte Amerika hat sie geprägt, sagen die zwei Roots-Sprösslinge.
Die Besetzung lässt an ein anderes, weit bekannteres Duo denken. Doch wer interessiert sich für das rot‘ weiße Pärchen aus Detroit, wenn auf der Bühne des kleinen schwedischen Clubs zwei ganz besondere Kavaliere stehen? Laut und körperbetont dröhnt ihre Musik. Dabei kleben die schweißnassen Haare wie eine Maske am hochroten Gesicht des Schlagzeugers Tyson Vogel, der Blick von Adam Stephens geht glasig ins Leere, während er immer rasender auf die Saiten seiner halbakustischen Gitarre einschlägt: Twanggggg! Twangggg! Das Mikro hängt einen halben Meter über Stephens‘ Kopf, der 26-Jährige streckt sich beim Singen danach, das gibt ihm etwas Wölfisches.
Das Duo Two Gallants scheint auf einer Mission zu sein, doch was wird hier gepredigt? Rock, Blues, Punk, Folk und Country haben sich zu einem Felsen verdichtet, der vibriert. Und bittere Tränen weint. Zornige Tränen sind es an diesem Abend, denn die Musiker fühlen sich unwohl in der holzgetäfelten Western-Atmosphäre des Clubs. „Das war ein komischer Raum, der gefiel uns überhaupt nicht'“, wird Stephens später sagen.
Die Geschichte der Two Gallants ist vor allem die Geschichte einer Freundschaft. Mit zwölf Jahren lernten sich der deutschstämmige Schlagzeuger Vogel und der Gitarrist Stephens in ihrer Heimatstadt San Francisco kennen. „Als wir zum ersten Mal auf einer Bühne standen, waren wir schon zusammen“, betont Stephens. „Während der Highschool trennten sich unsere Wege vorübergehend. Tyson spielte damals mit einer Punk-Band, ich habe währenddessen alleine Musik gemacht, eher mellow und folky. Im Prinzip entwickelten wir unseren späteren Sound einfach aus den beiden Musikstilen, mit denen wir uns vorher beschäftigt hatten.“
2002 begannen die Freunde als Two Gallants erste Konzerte zu spielen, der Name stammt von einer Erzählung von James Joyce, die Stephens damals gerade las. Aber natürlich schwingt auch ein dezentes Augenzwinkern mit: „Der Name ist eine nostalgische Spielerei: ,Zwei Kavaliere‘, das klingt irgendwie alt und verändert so den Blick auf die Musik“, findet Vogel, der mit seinen zerrissenen Jeans, Sonnenbrille und einem undurchdringlichem Haarvorhang vor dem Gesicht aussieht wie der Archetyp des Rockers.
Geprägt wurde die Musik der Two Gallants von unzähligen Konzerten, anfangs meist auf der Straße oder bei sogenannten House-Partys. Das sind keine Privat-Partys mit geladenen Gästen, sondern öffentliche Veranstaltungen in privaten Wohnungen. „Es ist wirklich irre, wenn man in einer Küche oder einem Wohnzimmer auftritt: Um einen herum stehen lauter Kumpels, alle sind angeschickert, klettern aufeinander herum und spritzen mit Bier. So sollte man Musik genießen – frei, natürlich, ohne Regeln und Barrieren. In einer normalen Konzerthalle, wo die Band weit entfernt auf einer Bühne steht und man vorher Unmengen von Kontrollen passieren musste, spürt man diese ursprüngliche Kraft schon längst nicht mehr.“
Das Debütalbum „The Throes“ war 2004 noch kein allzu großer Erfolg. Alter Blues aus den Sammlungen von Alan Lomax, Bob Dylan und krachiger Indie-Punk bildeten schon damals das Fundament für bisweilen episch lange Songs, die alte amerikanische Mythenbeschwören. Der 2006 erschienene Nachfolger „What The Toll Tells“ erschien auf dem durch die Bright Eyes bekannt gewordenen Label Saddle Creek und war so etwas wie der Durchbruch für die Band. Der „NME“ verglich die Two Gallants damals mit dem jungen Johnny Cash, Leadbelly und Woody Guthrie. Auch auf dem im Juni veröffentlichten Akustik-Minialbum „The Scenery of Farewell“ weht die Sorte Wind, die auch die verrosteten Saloon-Schilder alter Geisterstädte zum Quietschen bringt. „Das sind lauter Songs, die elektrisch nie so recht funktioniert haben“, erklärt Stephens. „Bis auf ,Seems Like Home To Me‘ sind das alles Showstopper. Wir haben sie aufgenommen, um sie los zu sein.“
Fans werden auch an den tatsächlich ziemlich ruhigen Songs ihre Freude haben, aber das neue, schlicht „Two Gallants“ betitelte Album ist zweifellos besser. Bei Produzent Alex Newport – der beide Platten betreute – fühlten sich Vogel und Stephens in den richtigen Händen, und noch immer sind die Songs entweder persönlich – das wunderbare „Reflections Of A Marionette“ sogar so sehr, dass Adam sich weigert, darüber zu reden, weil er nicht noch mehr Privates verraten möchte -, oder es geht um das alte Amerika, für das Stephens immer wieder neue archaisch anmutende Bilder findet. „Wir sind nun mal eine Band aus Amerika, und wir können auch die Wirkung nicht verleugnen, die dieses Land und seine Geschichte auf uns haben'“, sagt der Songwriter, bevor er zu seiner französischen Freundin hinübergeht, die ein paarTische weiter auf ihn wartet. Ach ja, eine Bemerkungzu den White Stripes hat er dann auch noch gemacht: „Der Unterschied zwischen uns und den White Stripes? Wir haben einen richtigen Schlagzeuger!“