Katz und Maus mit dem Klavier

Viele große Komponisten und Pianisten haben mich als Musiker geprägt, aber vermutlich niemand so sehr wie Franz Liszt. Er war nicht einfach ein klassischer Pianist, sondern eine Art Rock’n’Roll-Star seiner Zeit – das imponiert mir. Es gibt viele Geschichten darüber, wie die Leute in seinen Konzerten fast durchgedreht sind und dass die Damen ihm alles Mögliche auf die Bühne geworfen haben, ihre Ringe und so etwas. Liszt war also ein richtiger Performer, der auch improvisierte und das Publikum mit seiner Leidenschaft und Virtuosität in seinen Bann schlug. Er hat das Piano zu einem Soloinstrument gemacht; vor ihm hatte niemand das Selbstvertrauen, ein ganzes Konzert allein am Klavier zu bestreiten. Wegen ihm begann man, Klaviere anders zu bauen. Sie wurden stabiler, weil er so laut spielte, dass sie ständig kaputtgingen. Sie wurden aber auch größer, weil Liszts Stücke einen größeren Sound brauchten und er Oktavsprünge in seine Noten schrieb, die man auf den herkömmlichen Instrumenten nicht spielen konnte.

Mich faszinieren die enormen Kontraste in seiner Musik. Eben noch spielst du eine zarte, sensible Melodie, bei der es nur um die Emotion geht, dann plötzlich prasseln die Noten wie ein Schauer auf dich herab. Wir Pianisten lieben es, Liszt zu spielen, weil es technisch herausfordernd ist, aber auch, weil seine Werke so gefühlvoll komponiert sind. Außerdem macht er uns Mut: Er hat vorgemacht, dass klassische Musik sehr wohl populär sein kann.

Franz Liszt hat mir auch meine erste Begegnung mit klassischer Musik beschert. Ich sah im Fernsehen eine Episode von „Tom & Jerry“, in der Tom Liszts „Ungarische Rhapsodie #2“ spielt (und natürlich von Jerry geärgert wird). Tom sitzt im Frack und mit hochmütigem Blick am Flügel und spielt wie ein alter Meister. Plötzlich wird sein Finger immer länger, wie italienische Spaghetti! Die Macher haben das gut hinbekommen – die Bewegung der Finger, das ganze Tempo, das ist toll. Kurz darauf kam dieselbe Rhapsodie in den „Looney Tunes“ vor: Bugs Bunny spielt sie dort mithilfe seiner Ohren. Ich benutze höchstens mal meine Nase.

AUFGEZEICHNET VON JÖRN SCHLÜTER

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