Kapitän Blei
Dass Robert Fisher ein orchestral arrangiertes Album aufnimmt, kann einen ja nicht allzu sehr verwundern. Fisher ist es von Anfang darum gegangen, mit Willard Grant Conspiracy die scheinbar unumgänglichen Band-Korsette und Rock-Formate zu ignorieren, um sich selbst zu überraschen und die Reise interessant zu machen – mit einem Pool von mittlerweile rund 40 Musikern, die je nach Bedarf und Möglichkeit zum Einsatz kommen. Americana? Hier nur ein begrenzt passender Begriff.
Fisher ist also vor sechs Jahren auf den schottischen Produzenten und Score-Kompomsten Malcom Lindsay getroffen, der ihm eine Kooperation vorschlug. „Ich wusste zunächst nicht, was ich mit ihm anfangen sollte“, erinnert sich Fisher, „schließlich hatte ich schon klassische Instrumentalisten im Ensemble.“ Doch Lindsay wollte nicht einfach mitspielen, sondern hatte eine echte Zusammenarbeit vor Augen. Nach vielen E-Mails hatte Fisher endlich begriffen. „Die Chance war, mit den Möglichkeiten eines Orchesters nicht nur zu arrangieren, sondern zu komponieren. Ich hatte noch nie die Gelegenheit, mit jemandem zu arbeiten, der sich mit moderner Klassik auskennt und die Instrumente entsprechend einsetzen kann.“ In Lindsays Glasgower Studio nämlich. Nur ein paar Texte seien am Anfang da gewesen, erinnert sich Fisher, und zehn Tage später stand das Grundgerüst für „Pilgrim Road“. Das ist kein Album, auf dem irgendein Orchester sich hinter dem Sänger aufplustert und fertige Musik neu interpretiert. Vielmehr schaffen Fisher und Lindsay eine Art großer Kammermusik, in deren Rahmen die Instrumente — zu denen weiterhin auch Gitarre, Klavier, Akkordeon und (manchmal) Schlagzeug gehören —songdienlich eingesetzt werden. Der Grundton ist mal bleiern schwermütig, mal versunken sakral, ein bisschen wie ein Renaissance-Gemälde. Nachdem „Lut lt Roll“ WGC im recht ruppigen Rock-Outfit präsentierte, ist der neue Ausfallschritt eine ziemliche Herausforderung für Gewohnheitshörer. .Aber eben die gibt es ja nicht bei WGC“, wendet Fisher ein, „wir waren doch von Anfang an das Gegenteil von Starbucks und McDonald’s – wir haben keine Sicherheit und Beständigkeit versprochen, sondern unser Publikum herausgefordert mitzugehen und sich selbst zu respektieren. Das ist die größte Errungenschaft.“
In inhaltlichen Fragen bleibt Fisher seiner in den letzten Jahren gezeichneten Linie allerdings treu. „Ich stecke in einer Art Konversation über den Glauben. Es geht darum, einen Widerspruch aufzulösen: Ich glaube, dass in einem menschlichen Körper beides Raum hat, die irdischen und die göttlichen Elemente. Ich kenne viele Leute, die ständig daran arbeiten, ein besserer Mensch zu sein und trotzdem wissen, dass sie fehlerhaft sind. Habe ich mir vorgenommen, darüber zu schreiben? Ich bin nur zum Teil der Kapitän des Schiffes; der Wind hat genauso das Sagen.“