Kampfansage
Auch auf seinem neuen Album gibt Ian Brown nur allzu gern den proletarischen englischen Populisten.
Graue Wohnblocks, leere, abgeerntete Felder. Ein Prolet geht seinen Weg, energisch unbeugsam, allein. Ein Kneipen-Piano hämmert dazu, ein House-Beat stampft. Doch nun kommen sie von überall her: Alte, Junge, Männer, Frauen, sogar eine komplette Marchingband hat sich dem hohlwangigen Mann in der Adidas-Jacke angeschlossen. Das Video zu Ian Browns „Stellify“ wirkt, als hätte der sozial bewegte Theatermacher Volker Lösch Bert Brecht und Oasis zusammengedacht. Am Ende des Clips steht der Sänger breitbeinig und mit hoch erhobenem Kopf vor der fahnenschwenkenden Menge – und ist trotzdem ein Teil von ihr. So lieben die Briten ihre Helden: Bloß nicht zu arrogant und abgehoben werden, ein paar Pints im Pub und ein paar Beats im Club.
Ian Brown und die alten Schoten um die seit fast 14 Jahren aufgelösten Stone Roses sind in England noch immer ein Thema von nationalem Interesse. Die meisten Soloalben, die der Sänger nach dem Ende der Band veröffentlichte, wurden vom „New Musical Express“ mit Top-Wertungen belohnt – auch wenn sie meist nur mittelmäßig waren. „My Wäy“, das neue Werk des auf dem Cover posierenden Sängers, ist allerdings tatsächlich ein gelungener Wurf: „Es ist mein bestes Album, in jeder Beziehung“, sagt der 46-jährige Mancunian nicht ohne Stolz. „Nach meinem Kommentar zum Zustand der Welt fand ich es naheliegend, etwas persönlicher zu werden.“ Da hat er zum Teil sicher recht – sofern man es persönlich nennen möchte, wenn sich jemand als unbeugsamer Kämpfer feiert und aus dem Anagramm seines Namens einen Songtitel bastelt: „Own Brain“ ist musikalisch allerdings ein echtes Brett, wuchtiger Club-Pop, mit brillantem Refrain und bombastischen Killer-Sounds. Einige Pop-Esoteriker hören darin – wie auch bei einigen anderen Stücken des Albums – Kommentare zu Browns Verhältnis zu den Stone Roses. Der Sänger selbst zitiert auf die Frage hin erst einmal seinen Song „For The Glory“: „Sing the song and bang the drum/ Feel the need and just believe/ The best is yet to come.“ Dann sagt er: „Das ist eine Referenz an ,She Bangs The Drum‘ von den Stone Roses. In den letzten Tagen der Band fühlte ich mich den Menschen im Saal oft näher als den Musikern.“
In Interviews hat Brown Michael Jacksons „Thriller“ als wichtigen Einfluss für „My Way“ hezeichnet. Doch das gilt weniger für den Stil der Musik als für die penible Auswahl der einzelnen Tracks: „Die Platte bestand ausschließlich aus Hits, jeder Song war Single-tauglich. Auch wir haben alles, was nicht gut genug war, rausgeschmissen.“
Was blieb, ist durch und durch britischer Street-Pop. Man kann die Lieder nach der Sperrstunde auf dem Nachhauseweg grölen. „Ob im Fußball oder in der Musik – nie sind es die Reichen und Berühmten, die Wesentliches beitragen.“