Kammerpop, The Last Shadow Puppets
Mit ihrem Nebenprojekt ließen Alex Turner und Miles Kane alle Erwartungen ins Leere laufen. Im Gegensatz zum Indie-Gitarren-Furor der Arctic Monkevs kultivierten sie die Ästhetik der Sixties, reanimierten das Drama eines Scott Walker und den intimen Pop von Lee Hazlewood. Ende Oktober spielten sie, zusammen mit den Dresdner Sinfonikern, ein einziges Deutschland-Konzert im Berliner Tempodrom, das abends — perfekt illuminiert — in nobler Grandezza erstrahlte.
Alex Turner und Miles Kane sind müde. Gestern gaben die Last Shadow Puppets ein Konzert in Kopenhagen, die Nacht über fuhren sie dann nach Berlin. Doch mehr als der mangelnde Schlaf machen ihnen die ungewöhnlichen Begleitumstände zu schaffen: Die Live-Inszenierung der von „The Age Of The Understatement“ bekannten Chamber-Pop-Suiten mit Orchesterbegleitung erfordert nun einmal weitaus mehr Konzentration als von den Arctic Monkeys und The Rascals gewohnt.
Dabei sind die Puppets eigentlich ein Dummer-Jungen-Streich, der sich auf die große Bühne verirrt hat. Zwei 22-Jährige Indie-Helden manifestieren ihre Freundschaft in einer Referenz an den Drama-Pop der Sixties und vertonen binnen drei stürmischer Wochen ihre Plattensammlung. Beim nächsten Mal, und es wird ein solches geben, wolle man sich mehr Zeit nehmen, sagt Kane. Vorher erscheinen aber zunächst neue Alben ihrer Haupt-Bands. Turner berichtet von Sessions der Monkeys mit Josh Homme in dessen Wüstenstudio, man darf also gespannt sein. Unterdessen treffen die 16 Musiker der Dresdner Sinfoniker ein. Daheim bestreiten die Puppets ihre Konzerte mit dem London Metropolitan Orchestra, auswärts stoßen Abend für Abend lokale Klangkörper hinzu. Nur der Dirigent Andy Brown gehört zum Tross. Die Anfrage sei erst vor wenigen Tagen gekommen, erklärt Markus Rindt, der das zeitgenössische Orchester 1997 mit Sven Heibig gegründet hat – als grenzüberschreitendes Unternehmen, unter anderen hat man bereits mit den Pet Shop Boys gearbeitet.
Trotzdem spürt man die üblichen Vorbehalte zwischen sogenannten U- und E-Musikern. Während die Puppets das Orchester schon während des zweistündigen Soundchecks hinter einem schwarzen Gaze-Vorhang verstecken, geben zwei Streicher-Damen zu Protokoll, von der Band des Abends nie zuvor gehört zu haben, ja nicht mal von den Arctic Monkeys. Zudem müsse man leider das Gespräch abbrechen, da man fürchte, so nah vor der Bühne einen Gehörschaden zu erleiden – die Puppets spielen gerade „Paris Summer“ von Lee Hazlewood und Nancy Sinatra, das Rosalie Cunningham von der exzellenten Vorband Ipso Facto m it der passenden Prise Nancyness veredelt.
Turners bildschöne Freundin Alexa (!) Chung sitzt derweil vor der Bühne und dreht Videos fürs Turnersche Heimkino. Später in der Garderobe gibt das gelernte Model Tipps, wie die Puppets sich fürs Foto positionieren sollen, entfernt Fussel von Kanes Jacket und reicht Alex eine Tüte Kartoffelchips als Requisit. Selbst will die britische TV-Moderatorin und „Independent‘-Kolumnistin, die daheim zuverlässig die People-Magazine füllt, aber nicht aufs Foto.
Am Abend wird klar, warum so lange geprobt wurde: Die Bühne ist perfekt illuminiert, Orchester und Band ergänzen sich kongenial. Folglich hält es die Arctic Monkeys-konditionierten Teens nicht lange auf den Sitzen. Mit ihrer Hilfe transportieren Turner und Kane diese doch eher sophistische Erwachsenen-Musik in die Gegenwart – trotz des bösen Bouncers, der ständig versucht, die Meute zur Räson zu bringen. Weshalb ihm Kane schließlich die Zeile: „You’ve got a minute left to fall in love“ aus Leonard Cohens „Memories“ direkt ins Gesicht singt-eine Chance, die der ungehobelte Zopfträger aber ungenutzt verstreichen lässt. Anders als der Rest des Publikums.