Kaiser Chiefs: Rock’n’Roll im Akkord
Die Kaiser Chiefs haben ihre letzte Chance zum Ruhm genutzt.
Ricky Wilson ist ein netter Kerl, der nach einem langen Tag voller Interviews noch so verstrubbelt aussieht, als sei er gerade erst aus dem Bett geplumpst. Vor einem guten Jahr war der 27jährige noch Kunstdozent, Gelegenheits-Barkeeper und Hobbymusiker in Leeds. Und wie die meisten Hobbymusiker träumte er den großen Traum. Neun Jahre lang. Sein vorletzter Versuch, es zu schaffen und die Welt zu rocken, trug den Namen Parva. Einige Singles sind erschienen, doch der mächtige „NME“ mochte den Stooges-beeinflußten Garagenrock nicht besonders. Ein bereits fertig produziertes Album kam aus Angst vor einem Flop nie in die Läden. Die Musiker ließen sich trotzdem nicht unterkriegen, modifizierten ihren Stil und nennen sich seit 2003 Kaiser Chiefs.
„Wir mögen den Namen, weil er uns wie kleine Könige aussehen läßt“, erklärt Ricky Wilson, der Sänger. Und mit einem als Lachen gemeinten Meckern legt er nach: „Wir haben keine Angst vor dem Erfolg. Ich war schon vorher in einer Band und habe keine Platten verkauft – das macht keinen Spaß.“ Seit Sommer letzten Jahres ist Wilson Profimusiker und seit März diesen Jahres hat er endlich auch viel Spaß. Das in den meisten Ländern schon im Frühjahr veröffentlichte Debütalbum „Employment“ erreichte in England Platz drei der Charts, und auch in den USA läuft es momentan verdammt gut. „Ich war gefährlich nahe dran, die Musik aufzugeben für einen anständigen Beruf, behauptet Wilson. Gut, daß er es nicht getan hat: „An jeder Tankstelle arbeitet ja jemand, der jammert: ‚I used to be in a band…‘ ,’Employment‘ ist für uns nicht bloß ein cooler Name, es ist tatsächlich unser Job, unsere Festanstellung.“
Anfangs wurden die Kaiser Chiefs gerne als „die neuen Franz Ferdinand“ apostrophiert. „Eine tolle Band!'“, findet auch der Sänger. „Sie haben den Weg für viele andere Bands geebnet. Für uns sind sie wie ein großer Bruder, der einem zeigt, wo’s langgeht, und aus dessen Fehlern man lernen kann.“ Er sagt das freundschaftlich, aber man spürt die Haltung: „Wir sind das Update, die neueste Ausgabe des Vorgängermodels.“ Und war nicht auch der namensstiftende Franz Ferdinand von Österreich nur ein Thronfolger – und kein Kaiser?
Doch das ist nicht wirklich ernst zu nehmen, sondern ein jungenhaft sportlicher Wettbewerb: „Es ist momentan genug Platz da für uns alle – Bloc Party, Futureheads, Cribs, Franz Ferdinand. Bis vor kurzem wußten wir noch nichts voneinander, nun sind wir Teil eines backlashs gegen den ganzen amerikanischen Kram.“
Der Gegenschlag der Kaiser Chiefs klingt stilistisch wohlvertraut: Ein mitreißender Mischmasch aus Beatles, Blur, XTC und 10CC. Doch es sind definitiv die fantastischen Songs, die den Reiz des Quintetts ausmachen. „Everyday I Love You Less And Less“ ist zickig und nervös und mit einem grandiosen Refrain gesegnet. Auch „I Predict A Riot“ ist ein Feuerwerk aus Tempowechseln und brillanten Chorgesängen, während „Na Na Na Na Naa“ genauso klingt wie es der Titel nahelegt: „Wir fangen unsere Konzerte gerne damit an, weil der Song so schön hirnlos ist“, behauptet Wilson, dessen Lieblingssong – „Team Mate“ – auf der deutschen Version von „Employment“ fehlt. Was er erst im Interview erfährt und nicht kommentieren kann. Dabei sollte die Plattenindustrie doch eigentlich dankbar sein für Bands wie die Kaiser Chiefs und ihre vor Energie berstenden Ohrwürmer. „Rockmusik ist dazu da, brillante Songs zu schreiben und das Leben zu genießen“, sagt Ricky Wilson zum Abschied. „Wir reizen das noch lange nicht genug aus.“ Deshalb warten wir schon ungeduldig auf das nächste Album – in England müßte es ja bald erscheinen…