Kämpferseele

IM ERSTEN SONG DES REgulären fünften Albums der Neo-Soul-Anführer Sharon Jones &The Dap-Kings, „Give The People What They Want“, warnt Sängerin Sharon Jones ihr Gegenüber davor, sich mit ihr anzulegen. Das gehe nicht gut aus, singt Jones, mit dem Zorn einer Frau sei nicht zu spaßen. Das Lied heißt „Retreat!“ und ist typisch für die 57-Jährige, die mit dem Stolz großer Soul-Diven gesegnet ist. Typisch auch für ihre Band, die Dap-Kings, die mit einem unfassbar authentischen 60s/70s-Soul-Sound zur Backing Band von Amy Winehouse wurden.

Das im Sommer 2013 aufgenommene Lied bekam eine unerwartete Bedeutung, weil bei Jones kurz nach den Studiosessions Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde. Das letzte halbe Jahr, das reichlich Konzerttourneen bringen sollte, wurde eine Tour de Force mit Operation und anschließender Chemotherapie, die voraussichtlich noch eine Weile andauern wird. Der Gegner sei nun der Krebs, sagt die Sängerin, die sich derzeit im Örtchen Sharon Springs (!) in Upstate New York ihrer Genesung widmet. Längst denkt sie an die Zeit danach und will sich nicht kleinkriegen lassen: Die ersten TV-Shows stehen schon im Januar im Kalender, das erste große Konzert ist für den 6. Februar angesetzt.“Viele Leute sagen, das wird zu viel, du musst dich schonen“, erzählt Jones, „aber man hat nur eine kurze Zeit, in der man sein Album an den Start bringen kann. Also werde ich da rausgehen und es tun.“ Keine Angst vor Überanstrengung? „Ich habe meinen Glauben. Seit Jahren trete ich auf, Abend für Abend. Das ist mein Segen von Gott, er reicht für das ganze Leben. Und ich sage, mein Schicksal hat sich nicht verändert, ich bin bloß krank geworden. Das passiert im Leben, aber nicht jede Krankheit führt zum Tod. Klar habe ich am Anfang gedacht, das war’s – ich fühlte mich elend, mein Körper veränderte sich. Aber jetzt? No way. Ich bleibe noch ein paar Jahre.“

Jones ist eine Kämpferin, die erst im verhältnismäßig hohen Alter zu musikalischem Ruhm kam und vorher als Gefängnisaufseherin arbeitete. Sie möchte über ihr neues Album sprechen, doch wichtiger ist ihr, die Geschichte ihrer Krankheit zu erzählen. „Die Leute haben früher gesagt, dass ich zu fett bin, zu alt und zu schwarz“, sagt Jones, „aber jetzt werden sie schreiben, dass ich den Krebs besiegt habe und was weiß ich für eine Heldin bin. Ich will das nicht; ich will meine Krankheit nicht für meine Karriere benutzen. Wenn schon, sollen die Leute wissen, wie es wirklich ist. Ich will mich nicht verstecken und nach anderthalb Jahren wieder da sein, als wäre nichts gewesen. Das hier passiert mir gerade, das ist meine Geschichte, und ich will sie erzählen, damit meine Fans mit mir auf diese Reise gehen können.“

Seit 2002 spielt die 1956 in Augusta, Georgia geborene Jones regelmäßig mit den von Gabe Roth und Neil Sugarman gegründeten Dap-Kings, einem New Yorker Kollektiv von Soul-und Funk-Enthusiasten, das seit Mitte der Neunziger die Sounds der späten Sechziger und frühen Siebziger nachstellt und es zu einer Finesse gebracht hat, die kaum jemand sonst erreicht. Schon das auf dem bandeigenen Label Daptone veröffentlichte Debüt „Dap Dippin‘ With Sharon Jones And The Dap-Kings“ von 2002 brachte dem Ensemble große Aufmerksamkeit. Seither touren Sharon Jones &The Dap-Kings praktisch pausenlos um die Welt und kommen in den Medien genauso gut an wie beim stetig wachsenden Live-Publikum. Jones wurde eine begehrte Session-Sängerin und spielte mit Lou Reed, David Byrne – und Michael Bublé. Aktuell sieht man Jones und ihre Musiker in Martin Scorseses Film „The Wolf Of Wall Street“ als Hochzeitsband. Für „Give The People …“ entstanden knapp 30 Songs -zunächst ohne die Sängerin, die dann im zweiten Arbeitsgang Gesangsmelodien und Texte überarbeitete. Das Album ist wie seine Vorgänger wunderbar aus der Zeit gefallen. Für Jones ist die Musik ihrer Band kein stilistischer Rückgriff, sondern schlicht der Soul, den sie ihr Leben lang gesungen hat. „Die Jungs in der Band sind großartig“, schwärmt sie, „aber manchmal muss ich die Texte etwas verändern. Die Geschichte muss stimmen, sonst kann ich sie nicht erzählen.“

40% Aretha Franklin

25% Marva Whitney

25% Gospel

10% Blaxploitation

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