K.O. mit Poesie
Die Melancholiker von The National suchen nach immer neuen Bildern für die großen alten Themen
Der Name ist ein wenig problematisch. Zumindest in Europa, wo unter dem Banner gefühlter nationaler Identitäten gerne mal ein braunes Süppchen angerührt wird. Das weiß auch Matt Berninger, der Sänger und Songwriter von The National: „In Europa hat der Begriff eine sehr viel negativere Bedeutung als in den USA. Dort steht er für alles mögliche: ‚National Basketball Association‘ zum Beispiel oder ‚National Areonautics And Space Administration‘. Wenn wir uns The National nennen, tun wir das also mit einem Augenzwinkern. So wie sich The Smiths absichtlich den gewöhnlichsten britischen Namen zugelegt haben.“
Die New Yorker Band entstand 1999, als sich fünf Freunde aus Cincinnati zufällig in Brooklyn wiederfanden. Außer Matt Berninger gehören zu The National noch die beiden Brüderpaare Aaron und Bryce Dessner und Scott und Bryan Devendorf. „Unsere ersten beiden Alben gingen stärker in Richtung Americana. Heute lässt sich unsere Musik stilistisch nicht mehr eingrenzen“, behauptet der blonde Sänger mit einer müden Baritonstimme. Die musikalischen Quellen, aus denen das neue Album „Boxer“ schöpft, gleichen eher denen des Vorgängers „Aligator“. Neben den bereits erwähnten The Smiths hört man auch Anklänge an die Tindersticks, Pavement oder Sufjan Stevens, der bei zwei Songs am Piano saß. „Mistaken For Strangers“ zeugt dazu auch von einer großen Begeisterung für Joy Division: „Stephen Morris war ein großer Einfluss für unseren Drummer Brian, und ich habe in den letzten fünf Jahren auch sehr viel Joy Division und frühe New Order-Platten gehört“, gesteht Gitarrist Aaron Dessner und erklärt dann noch etwas grundsätzlicher: „Das Fundament des neuen Albums bilden überwiegend hypnotische und meditative Pattern. Das klingt sehr einfach und elegant, bietet aber auch viele harmonische und rhythmische Möglichkeiten. Wir wollten weg von den typischen Rock-Mustern – zumindest bei einem Teil der Stücke.“
Die sehr literarischen Texten von Matt Berninger sind keine Reproduktionen der immer gleichen Pop-Klischees. Erfindet immer wieder wundervolle Bilder tür die Beschreibung innerer Zustände. „Tiptoe through our shiny city with our diamond slippers on“, heißt es etwa im märchenhaften „Fake Empire“, das mit dem zauberhaften Refrain endet: „We’re half-awake in a fake empire.“
„Zugegeben, wenn man uns mit den Arctic Monkeys vergleicht, sind wir wohl eine recht melancholische Band. Vielleicht weniger als Billie Holiday, aber deutlich mehr als Judas Priest“, witzelt Berninger über das Melancholiker-Image, das ihm gerne mal angehängt wird, aber so platt nicht zutrifft.
Und warum heißt das Album „Boxer“? „Weil die meisten Charaktere hier um etwas kämpfen: Sie kämpfen darum, jung zu bleiben und um Liebe oder versuchen verzweifelt vor etwas davonzulaufen.“ Kurz: Es geht um die ewigen, oft absurd lächerlichen, aber doch so ernsten Themen unseres eigenen Lebens. The Nationalverleihen diesem banalen Ringen eine poetische Dimension.