Jungsmusik, auch für Mädchen – Mädchenmusik, auch für Jungs: SPORTFREUNDE STILLER machen Dosenbier-Rock nur gegen Pfand, PAROLE TRIXI beheben den Mangel an aggressivem Frauengesang
Elf Freunde sollt ihr sein, alte Fußballer-Weisheit, aber drei Lausbuben reichen auch für ein Team. Flo ist von Haus aus Rocker, Rüde nach eigener Auskunft ein „alter Hippie“ und Peter einfach ein Wuschel, sowas wie die Germeringer Version von Robert Stadlober. Alle drei haben früher unter dem Bezirksligatrainer Hans Stiller beim SV Germering Fußball gespielt und dem Mann, der auf dem Platz gern „Sieg oder Blut an die Latte!“ brüllte, im Bandnamen ein Denkmal gesetzt. Nach Spielende, versichern alle drei, sei der Stiller aber ein gemütlicher Typ gewesen. Er war in der Parallelklasse von der Tante von Rüdes Freundin und schulweit als Frauenschwarm bekannt – trotz oder wegen seines Oberlippenbarts und der mächtigen „Fußballerhecke im Nacken“.
Die Sportfreunde Stiller entfalteten in jüngster Zeit auch eine zunehmend magnetisierende Wirkung aufs andere Geschlecht. Zu den Konzerten kommen immer mehr kreischende 16-Jährige, altgediente Fans sehen es mit Sorge, wenn sich im Internet-Gästebuch Einträge häufen wie „Peter, möchtest du mich heiraten? Sag doch bitte ja, dann freue ich mich sehr, und wir können viele kleine Sportfreunde basteln.“ Der Charme dieser Band besteht nicht zuletzt darin, dass sie die ganze Aufregung mit typisch süddeutscher Gelassenheit kontert: „Unsere Musik ist für uns sauwichtig“, sagt Peter, „wir selber nehmen uns dagegen nicht so wichtig.“ Gemütlichkeit ist durchaus Teil des Konzepts – schließlich kann man auch „temperamentvoll gemütlich“ sein. Damit ist die Stimmungslage präzise umrissen: Sonne schwappt durch die Fenster der Band-Stammkneipe, die Luft ist angenehm temperiert und parfümiert. „In München hast du so Tage, wenn der Fön kommt – herrlich!“
Weiter nördlich in Deutschland stößt die Band mit ihrem klaren Bekenntnis zur Positivität gelegentlich auf Unverständnis. Zu den einprägsamsten Zeilen auf dem neuen Album „Die gute 5eite“ gehört „Das Leben ist so wunderschön und ich bin mittendrin“, auch von einer „Schaumkrone der Woge der Begeisterung“ ist die Rede. Ungebremste Jungs-Euphorie, die auf hochdifferenzierte Rezipienten-Befindlichkeiten leider keine Rücksicht nehmen kann. „Dass wir eine Jungs-Band sind, können wir schwerlich leugnen“, sagt Peter und schaut die beiden anderen an. Also doch Dosenbier-Rock? „Ist doch okay, solange es Pfand auf die Dose gibt. Außerdem gibt es viele schöne Momente im Leben mit Bier.“
Die Sportfreunde Stiller sind der lebende Gegenbeweis zur These, dass Männer keine Gefühle zeigen können. Man muss es nur wollen. Diese Jungs kann man lieben.
Es sei am Anfang komisch gewesen, bei Parole Trixi zu spielen, sagt Schlagzeuger Elmar Günther. In dem Sinn, dass es ihm eine Beschäftigung mit seiner eigenen Rolle abgenötigt habe. Einziger Mann in einer Frauenband zu sein, ist nicht unbedingt komisch. Wenn die Frauenband so entschieden weibliche Standpunkte vertritt wie Parole Trixi aus Hamburg, allerdings schon – obwohl das ja längst ein topmoderner, lustbejahender Post-Feminismus ist. Das komische Gefühl sei im Bandalltag von allein weggegangen, meint Günmer, und Sängerin Sandra Grether erzählt noch einmal, wie sie auf den Drummer aufmerksam wurde, weil er dieselben Riot-Grrrl-Platten hörte wie sie: „Das fand ich ja sehr entzückend.“ Vor solchen Komplimenten muss die Band sich auf keinen Fall fürchten. „Die Definition von süß“ heißt sinnfällig das Debüt-Album (seit der Gründung Anfang 1998 durchlief die Band mehrere personelle Wechsel), auf dem der flüssige Gitarrenpop von Grethers harscher Stimme durchschnitten wird, die ohne abfedernde Ironie von Schönheitsterror, Konsumzwang und weiblichem Selbstbewusstsein erzählt. „Es gibt in deutscher Sprache wenig aggressiven Frauengesang“, sagt die Ex-Journalistin korrekt. Es geht natürlich auch darum, dass eine süße Mädchenband wie die Bangles schon wieder Eitelkeitsbarrieren baut und weniger Frauen zum Musikmachen motiviert als derbere Gruppen wie Bikini Kill oder die Slits. Es ist ein Erfahrungswert: Frauenbands werden als role models wahrgenommen, ob sie wollen oder nicht.
Parole Trixi wollen das. Deshalb sagen sie einige Sachen, die schon oft gesagt wurden (dass Frauen viel besser ab Männer sein müssen, um auf die Bühne gelassen zu werden, dass sie bei den Jahresbestenlisten meistens unter den Tisch fallen), sehen sich gleichzeitig aber als notwendiges Update eines alten Themas: „Wenn du in einen Club gehst und da steht eine Frauenband auf der Bühne“, sagt Bassistin Cordula Ditz, die nebenher noch bei der Formation Schlampen Ficken Besser spielt, „das ist was anderes, als wenn du eine Platte aus irgendeiner fernen Zeit hast.“ Die große Zeit der US-Riot Grrls ist ja auch schon knapp zehn Jahre her.
Auf der großen Bühne der Hamburger Großen Freiheit standen Parole Trixi Ende letzten Jahres, als Vorgruppe von Blumfeld. Sie wurden ausgepfiffen. „Ich war eher davon schockiert“, sagt Sandra Grether, „dass hinterher Leute fragten: ‚Ooh, war das schlimm?‘ Wieviel Naivität unterstellt man uns denn eigentlich? Wir wissen doch, was wir tun.“ Cordula Ditz merkt an, sie sei noch wochenlang eher positiv auf den Auftritt angesprochen worden, „von Mädchen, die nur zu Blumfeld gekommen waren, weil sie ‚Graue Wolken‘ auf ‚Viva‘ gesehen hatten. Die fanden uns toll.“ Männer mögen laute, gelegentlich nervende Frauen halt oft nicht gleich.