Jung nur nach Jahren
Das Gespann TURIN BRAKES aus London überrascht mit erwachsenen Song-Juwelen in einer matt strahlenden Fassung aus Folk, Pop und Country
Die beiden Jungs aus Süd-London klampfen tapfer gegen das Desinteresse eines Publikums, das wegen Headliner Stephen Malkmus gekommen war. Indie ist angesagt im Maria am Ostbahnhof zu Berlin, quälendeng ist es, stickig und so verqualmt, dass man für eine Brise frischer Luft jederzeit bezahlen würde.
Für die Rumpfbesetzung der Turin Brakes, Ollie Knights und Gale Paridganian, kommt erschwerend hinzu, dass ihre akustische, sonst so dynamische Darbietung von der Geräuschkulisse aus Barbetrieb und Stimmengewirr ziemlich zugedeckt wird. Anstand haben nur wenige mitgebracht, die meisten dafür Gesprächspartner oder ein Mobiltelefon. Nur wer sich in unmittelbarer Nähe der Boxen aufhält, kommt in den nicht unbeträchtlichen Genuss der spröden Harmonies und der bald rauen, bald süßen Slide-Licks aus Gales Gitarre.
Die beiden sind nach dem Gig sichtlich geschafft. Nfor so vielen Leuten, sagt Ollie etwas missmutig, treten sie sonst nur komplett auf. Mit Band, inclusive Keyboards und elektrisch verstärkter Gitarren. Die Plattenfirma, mutmaßt er grinsend, habe wohl die Kosten für diesen Promo-Auftritt niedrig halten wollen. Schulterzucken. Was soll’s, die Turin Brakes können im Prinzip hochzufrieden sein mit dem bislang erzielten Presse-Echo. Ihre drei Singles und EPs wurden hochgelobt, ihr erster Longplayer, „The Optimist LP“, heimst gar dort Rave Reviews ein, wo man neuen „Bewegungen“ gegenüber eher skeptisch reagiert. Die Rede ist, Sie ahnen es, vom New Acoustic Movement. Ollie und Gale gähnen. Die ständigen Vergleiche mit anderen Exponenten dieser Ende letzten Jahres vom NME aus dem Hut gezauberten Gattung gehen ihnen inzwischen mächtig auf den Geist. Wiewohl sie gestehen müssen, dass die musikalischen Parallelen zu Bands wie Lowgold oder Starsailor evident sind. Countryfizierter, mithin amerikanisierter Pop britischer Herkunft. Ein transatlantisches Amalgam aus US-Ästhetik und UK-Intellekt. Im Falle der Turin Brakes leicht nachvollziehbar. Die beiden kennen sich seit Kindesbeinen, gingen zusammen zur Schule, sangen gemeinsam im Chor, besuchten dieselben Konzerte. Und entwickelten sehr ähnliche Vorlieben und Abneigungen. „Mit Britpop zum Beispiel konnten wir nie etwas anfangen“, meint Gale. „Wir haben Respekt vor Oasis„, assistiert Ollie, „aber all dem anderen Kram konnten wir nichts abgewinnen. Menswear! Da sagt der Name doch schon alles.“
Stattdessen hörten Paridganian und Knights in den Neunzigern Joni Mitchell, Leonard Cohen und Neil Young. Als Teenager? Ja“, nickt Ollie, „das mag seltsam klingen, aber unsere Vorbilder als Songwriter gehören sämtlich früheren Generationen an. Für jüngere Künsder haben wir wenig Zeit.“ Keine Ausnahmen? „Doch“, sagt Gale, „Chris Whidey schätzen wir sehr. Und vor allem Will Oldham. Der Mann ist brillant.“ Und, wie Whitley, nicht gerade Jung-Twen. Jung ist ohnehin nicht einer der Begriffe, die sich nach dem Hören von „The Optimist LP“ aufdrängen. Optimistisch auch nicht. Eher schon: kontemplativ, intuitiv, introspektiv. Und der hyperventilierenden, aber ultimativ leerlaufenden Neuzeit deutlich abgeneigt.
„V&shalb“, so Knights pfiffig, „der LP-Titel durchaus Sinn macht, denn ohne Optimismus ließe sich das alles gar nicht aushalten. Unsere Musik“, kichert er, „ist ein leuchtender Pfad.“ Lustig.