June Carter Cash – Wildwood Flower
Heimkehr und Vermächtnis der eigenwilligen, mysteriösen Sängerin
Ist uns diese Frau nicht Zeit ihres Lebens ein Rätsel geblieben, welches dann im Mai dieses Jahres nach einer Herzoperation unvermutet schnell sein Ende fand? In der Öffentlichkeit ist June Carter Cash vorwiegend und mit oft spöttischem Unterton auf die Rolle der spleenigen Muse ihres und unseres Johnny reduziert worden, ein Part, den sie auf ihrem posthum veröffentlichten Schwanengesang „Wildwood Flower“ etwa mit einer grenzwertigen Interpretation von „Temptation“ bedient, in die dann auch der Gatte einsteigt „It would be thrilling, if you’re willing…“ Das alte Paar noch mal ganz aufgekratzt pretty Strange. Und auch das Intro zu „Big Yellow Peaches“ -mit einer schönen Schnurre über Lee Marvin – zeugt von einer eigenwilligen Humoristin.
„Temptation“ bleibt der einzige Non-Carter-Song auf einem Album, das weitestgehend auf dem alten Clananwesen in Maces Spring/Virginia eingespielt wurde und ganz der First Family amerikanischer Folktradition gehört. „Wildwood Flower“ ist Heimkehr und Vermächtnis zugleich. Und es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob June irgendwelche Vorahnungen heimsuchten, da lässt sich jetzt natürlich prima was reingeheimnissen in Carter-Standards wie „Sinking In The Lonesome Sea“ und „Will Ybu Miss Me When I’m Gone?“. Doch auch losgelöst von Aktualitäten war Leben ohne Tod noch nie denkbar in dieser Song- und Glaubens-Schule, deren andere Seite hier denn auch völlig gleichberechtigt vertreten ist mit dem trotzigen Optimismus von JKeep On The Sunny Side“ etwa oder selbst in der Titel-Geschichte um die vernachlässigte „Wildwood Flower“.
Ausgewiesene Fachkräfte wie Norman Blake, Marty Stuart und Dennis Crouch bereichern die rein akustische, finale family affair um instrumentale Nuancen. Und Rosanne Cash schrieb so bewegende wie erhellende Linernotes, die auch noch einmal ihre Lobpreisung am Grab der Toten einschliefen. Danach ist das Rätsel June Carter Cash zwar nicht vollends gelüftet Aber man ahnt zumindest, wie diese Frau „getickt“ hat Bis der große Zeiger stehenblieb.