Julia Holter live: Ihre Hände fallen wie Schwalbenschwingen
In nur kurzer Zeit hat Julia Holter den Weg von der Laptop-Künstlerin zu einer Ensemble-Musikerin zurückgelegt. Ihr Auftritt ist einer der Höhepunkte des ROLLING STONE Weekenders am Freitag.
Sie war unzufrieden. Sie tigerte über die Bühne, zog ihren Saxofonisten am Arm hinter die Bühne, kam zurück und begann ihr Konzert. Mit 30 Minuten Verspätung. Der Sound mag Schuld gewesen sein. Ein viel zu bassiges Gebrumme, das die Viola verschuckte und all die Feinheiten, die ihren Klang ausmachen. Es dauerte eine Weile, bis sich Band und Mischpult eingespielt hatten – aber dann nahm ein Auftritt Gestalt an, der zeigte, warum Julia Holters letztes Album „Have You In My Wilderness“ vom ROLLING STONE zum Album des Jahres gewählt wurde.
Spätestens bei „Sea Calls Me Home“, mehr noch bei den filigranen, frei florierenden Jazz-Passagen der Vorgänger-Platte „Loud City Song“ erzeugt ihre aus einem Kontrabassisten, Schlagzeuger, Saxofonisten und einer Bratschistin bestehenden Band die Magie der kühlen Entgrenzung, die ihre Musik ausmacht. Und natürlich Holter selbst, die, langhaarig über ihr Keyboard gebeugt, die Hände auf die Tasten fallen lässt wie Schwalbenschwingen. Großartig, unwirklich und unterkühlt.
Richtige Musik am richtigen Ort
Unwahrscheinlich, in welch kurzer Zeit Holter den Weg von der Laptop-Künstlerin zu einer Ensemble-Musikerin zurückgelegt hat. Wir erleben eine große Songwriterin in the making in der Tradition von Laura Nyro und Anette Peackock.
Sie freue sich, sagt Julia Holter vor dem letzten Stück des Abends, dass ihre Art Musik auf dem Weekender Platz finde. Ja, natürlich, so muss es sein. Nebenan rocken die Sonics, der Saal hat sich geleert. Aber Holters Konzert ist neben dem furiosen Auftritt von Boss Hog und dem kraftvollen Glitter-Set von John Grant der Höhepunkt des ersten Weekender-Abends.