Meistunterschätzte Alben: Joni Mitchell – „Don Juan’s Reckless …“
„Don Juan’s Reckless Daughter“ ist Mitchells „Weißes Album“, obwohl es eher ein schwarzes Album ist.
Man bewundert Joni Mitchell für die Schönheit von „Ladies Of The Canyon“ (1970), die Intimität von „Blue“ (1971), die Slickness von „Court And Spark“ (1974), den komplexen Jazz-Folk von „The Hissing Of Summer Lawns“ (1975) und das ätherisch schwebende Meisterwerk „Hejira“ (1976). „Don Juan’s Reckless Daughter“ (1977) gilt – ebenso wie das oft unterschätzte „For The Roses“ (1972) – als Übergangsalbum, das in diesem Fall nirgendwohin führte.
Wenn man die Doppel-LP heute mit frischen Ohren hört, macht sich ein Verdacht breit: Während man männlichen Künstlern jedes überbordende, ambitionierte, grenzüberschreitende, eklektische, sich jeder Kategorie entziehende Werk, vom unvollendeten „Smile“ (Beach Boys, 1966/67) bis zu „Songs In The Key Of Life“ (Stevie Wonder, 1976), immer als Zeugnis ihres Genies auslegte, erkannte man bei einer Songwriterin darin Selbstüberschätzung.
Jede Facette ihrer Kunst findet sich auf dem Album
„Don Juan’s Reckless Daughter“ ist Joni Michells „Weißes Album“ (obwohl es natürlich, wie man an dem Cover sehen kann, das die Künstlerin in Blackface zeigt, eher ein schwarzes Album ist): Jede Facette ihres Schaffens findet sich auf dieser Platte, die zugleich über das bisherige Werk hinausweist.
Nie hat Mitchell schöner, besser, nuancierter gesungen als in der Ouvertüre „Cotton Avenue“, nie offener und mutiger getextet als im an Bob Dylan gerichteten „Talk To Me“, nie klang sie cooler als auf „Off Night Backstreet“, die perkussiven Experimente von „The Tenth World“ und „Dreamland“ nehmen vorweg, was ihre Kollegen David Byrne und Paul Simon später lange beschäftigen sollte.
Und der Höhepunkt, das epische „Paprika Plains“, ließ den bereits auf dem Totenbett liegenden Charles Mingus nach ihr rufen, vielleicht weil er eine Verwandtschaft zu seinem letzten epochalen Werk, „Let My Children Hear Music“ (1972), erkannte, zumal Mitchell sich mittlerweile fast ausschließlich von Jazzmusikern (Weather Report minus Joe Zawinul) begleiten ließ.
„Don Juan’s Reckless Daughter“ ist ein Meisterwerk und Joni Mitchell ein Genie.
Die meistunterschätzten Alben aller Zeiten
- Teil 57: Brian Wilson – „That Lucky Old Sun“
- Teil 56: Rickie Lee Jones – „The Magazine“
- Teil 55: The Doors – „Morrison Hotel“
- Teil 54: Madonna – „Hard Candy“
- Teil 53: Leonard Cohen – „Death Of A Ladies‘ Man“
- Teil 52: Tears For Fears – „The Seeds Of Love“
- Teil 51: Bob Dylan – „Dylan“
- Teil 50: Cat Stevens – „New Masters“
- Teil 49: George Michael – „Patience“
- Teil 48: Jimi Hendrix – „Band Of Gypsys“
- Teil 47: David Bowie – „Outside“
- Teil 46: Floyd – „Animals“
- Teil 45: Lou Reed & Metallica – „Lulu“
- Teil 44: Lucinda Williams – „Sweet Old World“
- Teil 43: The Style Council – „Confessions Of A Pop Group“
- Teil 42: Garland Jeffreys – „14 Steps To Harlem“
- Teil 41: John Cale – „Artificial Intelligence“
- Teil 40: Joan Armatrading – „To The Limit“
- Teil 39: Randy Newman – „Trouble In Paradise“
- Teil 38: Television – „Adventure“
- Teil 37: Frank Sinatra – „Cycles“
- Teil 36: Crowded House – „Together Alone“
- Teil 35: The Clash – „Sandinista!“
- Teil 34: Sly & The Family Stone – „Small Talk“
- Teil 33: J.J. Cale – „Number 10“
- Teil 32: Lou Reed – „The Raven“
- Teil 31: Swans – „The Burning World“
- Teil 30: Element Of Crime – „Psycho“
- Teil 29: New Order – „Movement“
- Teil 28: Pavement – „Terror Twilight“
- Teil 27: Van Morrison – „Inarticulate Speech…“
- Teil 26: The Band – „Northern Lights – Southern Cross“
- Teil 25: Kate Bush – „50 Words For Snow“
- Teil 24: Paul Simon – „You’re The One“
- Teil 23: Joni Mitchell – „Don Juan’s Reckless Daughter“
- Teil 22: Beach Boys – „Friends“
- Teil 21: Blumfeld – „Verbotene Früchte“
- Teil 20: David Bowie – „Lodger“
- Teil 19: Crosby, Stills & Nash– „CSN“
- Teil 18: Don Henley – „Building The Perfect Beast“
- Teil 17: Sonic Youth – „NYC Ghosts & Flowers“
- Teil 16: Roxy Music – „Siren“
- Teil 15: Bee Gees – „Bee Gees 1st“
- Teil 14: R.E.M. – „Around The Sun“
- Teil 13: Prince – „Batman“
- Teil 12: Bob Dylan – „Planet Waves“
- Teil 11: Jethro Tull – „This Was“
- Teil 10: Oasis – „Heathen Chemistry“
- Teil 9: Pearl Jam – „No Code“
- Teil 8: Genesis – „Abacab“
- Teil 7: Pink Floyd – „The Final Cut“
- Teil 6: The Cure – „The Top“
- Teil 5: Queen – „Hot Space“
- Teil 4: The Beatles – „With The Beatles“
- Teil 3: Led Zeppelin – „Presence“
- Teil 2: Bruce Springsteen – „Tunnel Of Love“
- Teil 1: U2 – „How To Dismantle An Atomic Bomb“