Johnny Depp zum Sechzigsten: ein kritischer Geburtstagsgruß

Eine kritische Würdigung an einen, der Können, Charme und Krawall wie kaum ein anderer Weltstar verbindet. Ein Romantikrocker mit Kajalaugen, der nie wieder als Pirat der Karibik auftreten will

Ob Amber Heard ihrem Ex-Gatten Johnny Depp wohl einen Strauß Blumen nebst einer Schachtel Edelkonfekt von einem trendy Hollywood-Chocolatier zum Geburtstag schenkt?

Ziemlich sicher nicht.

Und auch der gewöhnlich wohl informierte US-Boulevard scheint sich kaum noch für die 37j-ährige Schauspielerin zu interessieren, seit der spektakuläre Gerichtsprozess mit einem „Sieg“ des anwaltsgespickten Depp-Teams im Spätsommer 2023 zu den Akten gelegt worden ist.

Londons „Daily Mail“ notiert immerhin, dass Heard in ihrer neuen Heimat Madrid „ihrem gewohnten Leben nachgeht“. Während der einst innig Geliebte etwa zur gleichen Zeit auf den Filmfestspielen von Cannes anlässlich der Premiere der gepuderten Historien-Verfilmung „Jeanne du Barry“ wieder die Weltbühne der Reichen und Schönen betritt.

Heard soll es sich demnach mit ihrer zweijährigen Tochter Oonagh Paige in der spanischen Kapitale gut gehen lassen. Immerhin ist das öffentliche Interesse an ihr nicht komplett verebbt. Sie wird beim „Book Shopping“ von einem Paparazzi abgeschossen. Der in der Kleinstadt Owensboro im ländlichen Kentucky geborene Johnny Depp, der heute 60 Jahre alt wird, bekommt in Cannes einen Heldenempfang und erntet von seinen südfranzösischen Fans stehende Ovationen.

Amber Heard und Johnny Depp

Es fällt schwer, die künstlerischen Verdienste von Johnny Depp seit seinem stürmischen Einsatz in der Jungpolizisten-Serie „21 Jump Street“ (1987 bis 1990) zu würdigen (die auch im deutschen Privat-TV mit großem Erfolg gelaufen ist), ohne sich den Extrem-Terz mit und gegen Heard in Erinnerung zu rufen.

Schon seine wilde Zeit mit dem damals sehr jungen Super-Model Kate Moss (die ihm später in schweren Stunden stets zur Seite gesprungen ist) war VIP-Krawall at its best. Johnny Depp spielte unter „Kult“-Regisseur John Waters im schrägen Revuestreifen „Cry Baby“. Er lernte Tim Burton kennen, und er glänzte in einer Charakter-Hauptrolle in „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“, noch dazu in einer Traum-Combo zusammen mit Leonardo DiCaprio und Juliette Lewis. Seine Film-Vita kann man überall nachlesen, sie ist, wie es so schön heißt: „well documented“.

Was darüber hinaus aber weitaus prägender ist, ist Depps seltsame Interpretation des Mythos Rock’n’Roll. Noch vor seiner Wendung zum Schauspiel wollte er mit Fleiß und Posen ein Rocker alter Schule werden. Niemand aus der Weltstar-Liga stand und steht der Gitarre so nahe wie Depp. Die Eröffnung seine ikonischen L.A.-Live-Kaschemme „Viper Room“ am Rande des Sunset Strip und seine Verehrung für den verstorbenen Bühnenvirtuosen Jeff Beck leuchten exemplarisch.

Einher geht bei Depp das Düstere. Das hundertfach ausgelebte Image des „Bad Boy“, dem so ganz nebenbei die Frauen zu Füßen liegen. Auch seine französische Langzeitpartnerin Vanessa Paradies, mit der Depp zwischen 1998 bis 2012 eine relativ stabile Ära seines Rollercoaster-Lebens verbracht hat, ist auch nach der Trennung im „Team Depp“ geblieben.

Irgendwas, man kann es nicht anderes sagen, muss wohl „dran“ sein, an diesem künstlerisch erstaunlich, und menschlich zwielichtigen Menschen. Die Macho-Ausfälle mit Dauer-Suff, Drogen-Ausfällen und zerschepperten Hotel-Suiten sind Depp in the long run nie auf die Füße gefallen.

Mit mildem Wehmut hört man die Theken-Philosophen raunen: „Yo, yo, der Johnny … der is halt SO!“  Trotz einer latenten Arschlochhaftigkeit, die natürlich immer gekreuzt wurde mit großem Charme und Grandezza, hat Cannes 2023 noch einmal deutlich gezeigt, dass Johnny depp nicht kaputt zu canceln ist.

Und wenn in den aktuellen Film-News jetzt zu lesen ist, dass Johnny Depp nie wieder ins seine (späte) Paraderolle im Sequel-Epos des Disney-Konzerns „Pirates of the Caribbean“ zurückkehren will, trotz der Multi-Millionen-Gagen-Summer, die da kolportiert werden – dann wird auch das den Mythos des raubeinigen, gegen alle Konventionen des Showbetriebs agierenden Romantik-Rockers nur noch erhöhen.

Depp sei, so sagen angeblich seine Freunde, mit Großkonzern Disney „ein für alle mal fertig“. Das Geburtstagskind sei weiterhin fuchsteufelswild darüber, wie das US-Studio ihn seinerzeit kalt fallengelassen hat, als ihn Ex-Frau Amber Heard des Missbrauchs beschuldigte.

Disney-Präsident Sean Bailey sorgte jüngst weltweit für Schlagzeilen, als dieser sich nebulös darüber äußerte, dass sein Unternehmen derzeit „noch unentschieden“ über Depps Rückkehr wäre. Dies wurde in der US-Branche immerhin als Versuch gewertet, sich eine Depp-Tür offen zu halten.

Immerhin könnte ein herber finanzieller Flop drohen, im Falle einer nicht geglückten Ersatz-Hauptrolle für Captain Jack Sparrow in diesem mega-umsatzträchtigen Blockbuster-Format. In irrer Move im Hause Disney wäre es, Amber Heard zur nächsten Chef-Piratin zu machen. Doch auf solche crazy Einfälle käme wohl nur Johnny Depp höchtspersönlich.

Trotz allem; von hier aus ein dezentes: Herzlichen Glückwunsch, Johnny.

STEVE HELBER POOL/AFP via Getty Images
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