Johnny Depp oder Unheilig – eine Meditation im Cabriolet

Vom ewig jungen Johnny Depp – und Popmusik in Frauenzeitschriften. Und was für Musik hört Depp eigentlich an seinem Geburtstag?


Eric Pfeils Pop-Tagebuch, neue Folge 4

Mal sehen, wovon könnte der diesmalige Eintrag ins Pop-Tagebuch handeln? Rasch eine Flasche 16 Jahre alten Knorkator entkorkt, da kommt die Inspiration schon von ganz alleine. Womöglich könnte ich ja darüber schreiben, dass Johnny Depp jüngst seinen 50. Geburtstag feierte? „Oooch nö, langweilig“, höre ich meine Leser nölen, „außerdem ist das nicht musikrelevant!“ Den lieben Lesern sei entgegen genölt, dass a) „musikrelevant“ – ganz gleich, wie man es auch zu schreiben die Güte hat – ein hässliches Wort ist, und b) Johnny Depp immerhin mal als Gitarrist bei einem mittelguten Oasis-Song mitgenüddelt hat. „Sagen wir doch: Oasis = nicht musikrelevant!“, blaffen da prompt die Leser zurück. Da es langsam nervt mit den Unterbrechungen, sei das Thema „50 Jahre Johnny Depp“ verworfen. Stattdessen könnte ich über die Wonnen einer schönen Vulgärsportart schreiben. Es geht ganz einfach: Bei der Plattenfirma von Unheilig 50 Band-Aufkleber bestellen und damit nachts die Autos von Freunden vollpappen. Es sind oft die kleinen Dinge im Leben …

Halt, ich hab’s: Man könnte natürlich versuchen, die beiden zur Auswahl stehenden Themen charmant in einem Text zu vermählen. Warum nicht Johnny Depps Auto zu seinem 50. Geburtstag mit Unheilig-Aufklebern zupappen? Stimmt, das wäre albern, und Albernheit ist freilich das Letzte, was ich hier propagieren möchte. Darum zu einem ganz anderen Issue, an dem sich wilde Thekendebatten entzünden könnten: Musiktexte in Frauenzeitschriften. Frauenzeitschriften sind ja grundsätzlich eine tolle Erfindung, was ich hier jetzt durch zahlreiche Beispiele belegen könnte, aber … der Platz … der Platz. Immer ein wenig ulkig aber ist, wenn in Frauenzeitschriften über Popmusik geschrieben wird. Es scheint ein Gesetz zu geben, demzufolge Autoren solcher Blättchen in Texten über Popmusik immer die Worte „Meer“, „Cabriolet“ oder „Sonne“ unterbringen müssen. Gerne packt man in derartigen Medien CD-Tipps auch unter Überschriften, die „Meer“, Cabriolet“ oder „Sonne“ gleich im Titel führen: „Die besten neuen Alben, um in diesem Sommer mit dem Cabriolet am Meer entlangzueiern“.

Warum habe ich „entlangeiern“ geschrieben? Das würde keine Frauenzeitschrift der Welt je tun. Muss der Knorkator sein … Doch zurück zur Sonne-Cabriolet-Meer-Manie: Diese kann nur damit zu tun haben, dass man in Frauenzeitschriftenredaktionen davon ausgeht, dass Frauen ausschließlich dann Popmusik hören, wenn sie mit dem Cabriolet an einem sonnenbeschienenen Meer entlangbrausen oder aber, dass sie beim Hören von Musik eben in diese Richtung sublimierte Sehnsüchte entwickeln. Ich weiß ja nicht, was Sie, liebe Leser, für Frauen kennen, aber mir fallen spontan mindestens zwei, drei ein, die mit Meeren und Cabriolets relativ wenig im Sinn haben. Mit Sonne vielleicht schon. In der Gala schrieb letztens gar jemand über die neue Daft Punk, sie klinge wie ein „Best-Of der Café del Mar-Reihe“. Ich habe mein Albumexemplar daraufhin ungehört weggeworfen.

Vielleicht schreibe ich ja doch lieber über Johnny Depps 50. Geburtstag. Was da wohl für Musik lief? Bestimmt die Kings of Leon. Ich glaube, Johnny Depp hört gerne Musik von Menschen, die Lederwesten und Hippie-Amulette tragen.

Eins ist mir übrigens wirklich schleierhaft: Wenn Johnny Depp mit 50 mindestens zehn Jahre jünger aussieht – ist das dann für einen 43-jährigen Schreiberling von Pop-Tagebüchern beruhigend oder beunruhigend? Sollte ich denken: „Ach, guck, Johnny Depp – schon 50! Da musst man sich ja keine Sorgen machen, wenn man in sieben Jahren noch so aussehen kann“? Oder ist es vielmehr angeraten wie folgt zu empfinden: „Hm, ich sehe mit 43 mindestens 13 Jahre älter aus als Johnny Depp mit 50?“ Fragen … Ich glaube, anlässlich Willie Nelsons 70. Geburtstag sagte irgendjemand: „Willie, you don’t look like 70, but we all can remember, when you did“. Ach, der Knorkator ist alle … rasch nachgegossen …

Definitiv NICHT sollte in diesen Tagen übrigens über Festivals geschrieben werden. Festivals sind erstens fad und Texte darüber noch fader. Ich glaube, bevor man mich auf einem Festival zu sehen bekommt, fahre ich lieber mit ein paar Frauenzeitschriftenfrauen in einem über und über mit Unheilig-Aufklebern bepappten Cabriolet ins nächste Café del Mar, um dort nachträglich auf Willie Nelsons 80. anzustoßen. In Lederwesten!

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