John und Yoko – letzte Bilder einer Liebe
Am 9. Oktober wäre John Lennon 75 Jahre alt geworden. Und vor etwas mehr als 35 Jahren begannen John Lennon und Yoko Ono mit den Aufnahmen zu einem neuen Album, „Double Fantasy“. Erstmals wurden private Fotos jener Monate veröffentlicht - Dokumente eines Neuanfangs, den die Todesschüsse vom 8. Dezember 1980 jäh zerstörten
„Yoko war damals zu Hause mit so vielen Anrufen beschäftigt, dass ich am Telefon nicht durchkam“
Die Welt hatte John Lennon und Yoko Ono wieder. In der Hit Factory in New York arbeiteten sie im Sommer und Herbst 1980 an dem Album, das dann „Double Fantasy“ genannt wurde. Der Schlagzeuger Andy Newmark erinnert sich: „Seine Art, eine Platte zu machen, ging ungefähr so: ,Hier ist ein Song, er ist ganz einfach. Ihr Jungs wisst, wie ihr eure Instrumente spielen müsst.
Vergesst den Firlefanz!‘ Man wusste, dass er in 20 Minuten anfangen und in einer Stunde fertig sein wollte.“ Doch die Souveränität war vorgetäuscht. „Je unsicherer ich bin, desto mehr Instrumente bringe ich auf eine Tonspur“, sagte John zu Fred Seaman. Der Produzent Jack Douglas musste immer mehr Sounds auf immer mehr Spuren integrieren. Zu Johns 40. Geburtstag schenkte er ihm 200 Kassetten mit Gerede, Anekdoten und Bonmots aus dem Aufnahme- und dem Kontrollraum; außerdem war Fred von John damit beauftragt worden, ein Arbeitstagebuch zu schreiben: John Lennon machte Zurüstungen für die Nachwelt.
Noch hatten John und Yoko keine Plattenfirma. Bruce Lundvall, Chef von Columbia Records, erinnert sich daran, dass John forderte: „Ich will keinen Cent weniger kriegen als Paul und Mick!“ Yoko dräute: „Ich werde mehr bekommen als Paul!“ Lundvall wollte eine Lennon-Platte, kein Doppel; Ahmet Ertegun, Präsident von Atlantic Records, wurde abgewiesen. Den Zuschlag bekam David Geffen für einen bescheidenen Vorschuss von einer Million Dollar, außerdem traten John und Yoko 50 Prozent an den Song-Tantiemen ab. Jack Douglas hielt Geffen für einen „Gauner“, doch „John war einfach froh, dass er einen Vertrag hatte und die LP herauskommen würde“. David Geffen erzählte später, wie er Yoko, die von dem geteilten Album erzählte, überzeugte – er habe gelächelt und gesagt: „Ich will genau das und nichts anderes!“
Videodreh zu „Woman“ im Central Park
Die Single „(Just Like) Starting Over“ erreichte im Oktober die amerikanischen Top Ten, das Album belegte zunächst Rang elf, und die Kritiken waren gemischt bis negativ, zumal die Besprechungen in England. Lennon wunderte sich über den Erfolg von Bruce Springsteens Doppel-album „The River“, das auf Platz eins der amerikanischen Charts rangierte. Am 26. November wurde der berühmte Videoclip zu „Woman“ gedreht, in dem John und Yoko beim Spaziergang durch den Central Park zu sehen sind; John trug eine funkelnde silberne Winterjacke mit Pelzkragen. Als sie am Gitter eines Sportplatzes vorbeikamen, liefen einige Jugendliche heran und einer rief: „Mann, lass mich deine Hand schütteln! Wann kommen die Beatles wieder zusammen?“ – „Morgen“, sagte Lennon ungerührt. – „Ich liebe das blaue Album!“ John und Yoko gingen weiter. Jemand fragte aus dem Hintergrund: „Wer is’ das denn?“ – „John Lennon, Mann!“
In einem hell ausgeleuchteten Atelier filmte der Regisseur Ethan Russell die beiden, als sie auf die weiße Matratze zugingen, woraufhin Yoko ihren Kimono fallen ließ und John aufforderte, sich ebenfalls zu entkleiden. Verlegen tat er, wie ihm geheißen. Der Fotograf Allan Tannenbaum machte am Set zahllose Fotos. Das Paar wälzte sich nackt auf der Matratze; dazu erklangen „Woman“ und „(Just Like) Starting Over“. Später simulierte Yoko zu „Kiss Kiss Kiss“ und qualmendem Weihrauch einen Orgasmus. Der berühmteste Kuss der Plattengeschichte wurde von Kishin Shinoyama für das Cover von „Double Fantasy“ fotografiert; für „Milk And Hon-ey“ wurde 1984 eine Variation verwendet – und 2010 zeichnete Sean Lennon das Motiv für die „Stripped Down“-Edition von „Double Fantasy“ nach.
An einem Abend im September gingen Lennon und Ono mit Shinoyama zum See im Central Park. „Einige Leute grüßten John und Yoko. Sie gingen Hand in Hand, beide in Schwarz gekleidet, und lächelten. Während ich fotografierte, sprachen sie miteinander. Langsam spazierten wir an eine ruhige Stelle im Park, wo niemand in der Nähe war. Ich bat sie darum, sich zu küssen – und das taten sie. Es war ein perfekter Moment.“ Bis zur Dämmerung machte Shinoyama weitere Fotos. „Aber das Motiv, das auf dem Cover von ,Double Fantasy‘ zu sehen ist, ist das allererste Foto, das ich im Park aufgenommen hatte.“