John Cougar Mellencamp – „The Lonesome Jubilee“
Heute, da alles ein "Projekt" sein muss, kann man die Platten von John Mellencamp in der Mitte der 80er Jahre als "Generationenprojekt" bezeichnen. Springsteens gebrochener Patriotismus hatte ihm die Augen geöffnet für das eigene Land, und so sang er "Smalltown" und "R.O.C.K. In The U.S.A." auf der nur scheinbar dumpfen Platte "Scarecrow" (1985), einer Verewigung seiner Heimat Bloomington, Indiana, und eines der schönsten Dokumente amerikanischer Folklore. "There is nothing more sad or glorious than generations changing hands", hatte er der LP vorangestellt, ein Spruch seines gestorbenen Großvaters (vielleicht aber auch von Abraham Lincoln), und die Platte birst fast vor Stolz und Unbeugsamkeit. Mellencamp setzte in dem Stück "Rain On The Scarecrow" dem Farmer an sich pathetisch ein Denkmal und erinnerte an die Pionierarbeit der Bauern: "This land fed a nation, this land made us proud."
Zu dem schlichten, autochthonen Rock von „Scarecrow“ kamen auf „The Lonseome Jubilee“ Folk und Fiddle, Akkordeon und Background-Gesang.“Generations come and go but it makes no difference“, zitiert Mellencamp die „Ecclesiastes“, „so I saw that there is nothing better for men that they should be happy in their work, for that is what they are here for, and no one can bring them back to life to enjoy what will be in the future.“ Das ist natürlich so emphatisch, so großräumig gedacht, dass es mit einigen Liedern nicht einzulösen ist. Mellencamp, ein sturer Hund, versuchte es trotzdem . In „Down And Out In Paradise“ adressiert er direkt den Präsidenten, in „The Real Life“ feiert er die Gewöhnlichkeit der Routine, im wunderbaren „Cherry Bomb“ preist er noch einmal die Vorstadtvergnügungen seiner Jugend. Er schreckt nicht zurück vor „Hard Times For An Honest Man“ und nicht vor der Wahl zwischen „Hotdogs And Hamburgers“: „Everyone of us has got to choose between right and wrong.“ Worte, die John Wayne einst in den Baum geschnitzt hat.
Kenny Aronoff, Larry Crane und Mike Wanchic spielen wie ein Mann, Lisa Germano fiedelt entfesselt. Und ausgerechnet im letzten Stück der LP, „Rooty Toot Toot“, das von nichts als einem Picknick mit dem Mädchen an einem sonnigen Tag handelt, findet Mellencamp die lakonischen Worte, die alles sagen und seinen knorrigen Existentialismus zusammenfassen. Der State Trooper hat das Paar ermahnt, weil es auf privatem Besitz herumlümmelt, aber er beruhigt sich dann schnell. Und der Sänger: „Sometimes you’re golden man/ That’s all I got to say.“
Ein paar Jahre später war ich mit amerikanischen Studenten bei einem Konzert von John Mellencamp.Sie rollten Stars & Stripes aus, sie holten Bier von der Bar, sie futterten Popcorn.Mellencamp auf der Bühne war großartig. Die Studenten verstanden im Seminar nichts von Walter Benjamin, aber mein Gott, wie gern wäre ich einer von ihnen gewesen.
Mercury, 1987