Exklusives Interview

John Carpenters „Halloween“-Interview: „In meinem Leben, in meinem Kopf ist immer Musik“

In einem seiner raren Interviews spricht John Carpenter über seinen Soundtrack zu „Halloween Ends“, die Filminspiration seines Lebens und warum er lieber Basketball schaut, statt auf den Regie-Stuhl zurückzukehren.

Vielleicht ist der Regisseur und Musiker John Carpenter nicht ganz unschuldig daran, dass an diesem Wochenende wieder zahlreiche Halloween-Partys steigen. Sein stilprägender Horrorfilm „Halloween – Nacht des Grauens“ aus dem Jahr 1978 machte die amerikanische Tradition auch hierzulande ein wenig bekannter.

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Im Kino läuft gerade mit „Halloween Ends“ der vermeintlich letzte Teil der Reihe. John Carpenter lieferte den Soundtrack dazu, der via Sacred Bones erschienen ist. Um darüber zu sprechen, gewährte er ROLLING-STONE-Autor Daniel Koch eines seiner inzwischen recht seltenen Interviews, das er per Zoom führte.

Carpenters „Christine“ im Check:

Mr. Carpenter, ich habe Ihren Soundtrack schon ein paar Wochen lang hören können, bevor ich den Film sehen durfte. Jetzt, wo ich ihn gesehen haben, muss ich sagen: Ihr Soundtrack hat mir mehr Angst eingejagt als der Film. Und das, obwohl ich für „Halloween Kills“ in einer Spätvorstellung war und sogar ganz alleine im Kino saß …

Danke. Dann habe ich ja meine Aufgabe erfüllt. Das ist meine eine und einzige Aufgabe im Leben: die Menschen zu erschrecken. Entweder mit Bildern oder mit Musik.

Wie schon seit Jahren haben Sie die Musik mit ihrem Sohn Cody Carpenter und ihrem Patenkind Daniel Davis aufgenommen. Sie haben diese familiäre Zusammenarbeit mal als „sehr funktionalen Deal“ bezeichnet. Können Sie das ein wenig ausführen?

Carpenters „Sie leben“ im Check:

Wenn ich mit den beiden zusammenarbeite, bringt jeder von uns seine Stärken mit an den Tisch. Das ergänzt sich prima. Daniel ist ein sehr neugieriger, ungemein kreativer Klangforscher und ein Gitarren-Virtuose. Cody ist ein Keyboard-Virtuose. Und ich bringe meine Erfahrung mit.

John Carpenter am 29. Oktober 2017 in Las Vegas, Nevada. (Photo by Gabe Ginsberg/Getty Images)

Nur Erfahrung? Mehr nicht?

Im Grunde: Ja.

Das nennt man wohl Understatement. Wie war es nun für Sie, noch ein letztes Mal in die Klangwelt von „Halloween“ einzutauchen?

Wissen Sie, wenn Cody, Daniel und ich Musik machen, geht es immer um Geschmack. Was bedeutet: unseren Geschmack. Wir schauen uns an, was benötigt wird und dann entscheiden wir: Was halten wir für angemessen? Welche Melodie soll in dieser Sequenz im Mittelpunkt stehen? Welche Art von Sounds wollen wir verwenden? Das ist alles. Wir haben gemeinsam den alten „Halloween“-Soundtrack noch einmal ausgegraben, uns ein paar Themes und Elemente gegriffen, sie entstaubt, poliert und wiederverwendet. Das ist alles.

Sie haben mal gesagt, Sie hassen es, alte Filme von Ihnen zu schauen. Gilt das auch für Ihre Soundtracks?

Ich hasse es nicht, meine alten Soundtracks zu hören. Wobei ich schon der Meinung bin, dass die neueren interessanter sind, weil sie komplexer und die Sounds besser sind. Wenn ich mir die alten anhöre, denke ich eher immer so was wie: Wie zum Henker habe ich denn diesen Sound hinbekommen? Und dann scheitere ich daran, ihn heute zu rekonstruieren.

Wie darf man sich den Arbeitsprozess konkret vorstellen im Falle von „Halloween Ends“. Gibt’s eine Bestellung des Regisseurs? Schauen Sie den Film und entscheiden, wo es was braucht?

„The Thing“ in der Kritik:

Auch das ist ein sehr simpler Prozess. Wir sprechen erst mit David Gordon Green. Dann schauen wir den Film und er sagt uns, wo er Musik haben will und worauf es ihm in einer bestimmten Sequenz ankommt. Und dann fangen Cody, Daniel und ich an – wir improvisieren dabei viel, nehmen alles auf und entscheiden uns dann, was reinkommt. Ganz einfach. Unser Job ist es, da zu sein und den Film zu supporten, die Themen zu supporten, die Szenen zu supporten, Themes für bestimmte Charaktere zu finden. Wir sind im musikalischen Sinne Storyteller. Für den Film. Das ist unser Job.

Wie fühlen Sie sich, jetzt wo die von ihnen gestartete Reihe „Halloween Ends“ ein Ende findet?

Ich fühle mich super. Und damit meine ich: Das damals, 1978, war mein Film. Ich habe da Regie geführt. Jetzt ist es David Gordon Greens Film und es sind seine Ideen. Ich unterstütze seine Ideen. Ich habe keine Besitzansprüche oder Gefühle, die mich umtreiben. Alles super. Jeder will von mir wissen: „Was denkst du über den Film? Bist du verärgert?“ Nein. Da kümmere ich mich gar nicht drum. Ich mache meinen Job.

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Ich wollte jetzt auch gar nicht auf einen Diss in Richtung von David Gordon Green hinaus. Ich meinte eher, wie es für Sie ist, zum vermeintlich letzten Mal Michael Myers und Jamie Lee Curtis’ als Laurie zu sehen?

Vor Jamie Lee Curtis habe ich den größten Respekt. Sie ist wirklich eine außergewöhnliche Schauspielerin geworden. Sie ist in vielerlei Hinsicht gewachsen, seitdem wir damals zusammengearbeitet haben. Sie war damals noch ein Kid – aber wir waren ja alle Kids. Jetzt sind wir alt. Mit Michael Myers verbinde ich in erster Linie unsere „Halloween Theme“-Song. Das ist ein Stück Musik, das explizit für eine Killermaschine geschrieben wurde. Und das ist Michael. So wie dieser Song klingt, so fühle ich über ihn.

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„Halloween Ends“ wurde auf einem Poster mit dem Slogan beworben: „It’s the final battle against evil.“ Würden Sie das so unterschreiben?

Das ist ein toller Satz. Ich liebe diesen Satz. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er ganz richtig ist. Vielleicht gibt es ein paar mehr Kämpfe gegen das Böse als bloß den einen. Mir scheint, im wirklichen Leben gibt es jeden Tag Kämpfe gegen das Böse. Und im Film-Business in Bezug auf „Halloween“? In diesem Geschäft weiß man nie. Man weiß einfach nie, was passieren wird.

Verfolgen Sie darüber hinaus eigentlich noch das aktuelle Kinogeschehen?

Ich schaue noch viele aktuelle Filme. Ja. Auch Horrorfilme. Und ich versuche immer alle Filme zu sehen, die für einen Oscar nominiert sind. Bei der Gelegenheit: Haben Sie „Black Adam“ schon gesehen?

Alles über „Die Klapperschlange“:

Äh. Bisher nicht. Ich wollte eigentlich, aber die ersten Kritiken waren so vernichtend, dass ich nun doch wieder hadere. Haben Sie ihn gesehen?

Nein. Interessierte mich nur.

Haben Sie denn in den letzten Wochen einen Film gesehen, der sie besonders begeistert hat und den sie empfehlen könnten?

Ja.

Welcher wäre das?

Das sage ich Ihnen nicht. Da wird dann nur wieder drüber geschrieben. Das mag ich nicht. Ich empfehle ihnen nur: Schauen Sie Basketball!

Fair enough. Das ist ja auch viel Nervenkitzel drin. Dann lassen Sie uns doch wieder über Ihre Musik sprechen und mal ein paar Schritte zurück gehen in Ihrer Biografie. Was hat Ihre Liebe zur Musik einst geweckt?

Ich bin mit Musik aufgewachsen. Mein Vater hatte einen Doktortitel in Musik. Er war ein Virtuose auf der Geige. Als ich acht Jahre alt war, beschloss mein Vater, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, mich zum Geigenunterricht zu schicken. Dabei gab es nur ein Problem. Ich hatte überhaupt kein Talent. Und die Geige ist das schwierigste Instrument, auf dem man gut klingen kann. Sie ist gnadenlos. Unversöhnlich. Wie auch immer. Aber ich machte trotzdem weiter, lernte das Keyboard und die Gitarre. Mein Musikgeschmack tendierte eher zum Rock’n’Roll und ich erlag natürlich den Beatles, als die ihre ersten Alben herausbrachten. Meine Liebe zur Musik hat sich also von Anfang an weiterentwickelt, aber sie war immer ein Teil meines Lebens. In meinem Leben, in meinem Kopf, läuft immer Musik.

John Carpenter 1982, damals war er 34 Jahre alt.

Wie ist es passiert, dass sie nicht nur Filme, sondern auch die Soundtracks dazu machen wollten und dabei diesen elektronischen Sound wählten, der damals ja noch gar nicht so en vogue war?

Ich erinnere mich noch genau, wie meine Liebe zu diesen Soundtracks und diesem Sound geweckt wurde. Es war ein Film aus dem Jahr 1956 mit dem Titel „Forbidden Planet“, der einen Score hatte, der ausschließlich aus elektronischer Musik bestand. Es gab überhaupt keine Orchestermusik. Damals gab es noch keine Synthesizer, also hat man andere Methoden verwendet. Die Musik kam von den Barrons – ein Ehepaar, das gemeinsam komponiert hat. Ich höre mir diesen Soundtrack immer noch oft an. Er war wirklich einflussreich für mich, vor allem in Verbindung mit den Filmbildern. Dieser Film hat mich in jeder Hinsicht verändert. Nachdem ich den Film gesehen hatte, beschloss ich, dass ich Filmregisseur werden wollte, und der Soundtrack hat mich dazu inspiriert, in diese Richtung zu gehen, was die Musik angeht. Diese Synthesizer haben es mir später ermöglicht, groß und bedrohlich klingen, ohne ein Orchester buchen oder selbst ein Instrumentenvirtuose sein zu müssen. Sie waren effektiv.

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Inzwischen hat sich Ihr Arbeitsbereich ausschließlich auf das Musikmachen verlegt. Das wurde mir besonders deutlich, als 2015 das erste Album Ihrer „Lost Themes“-Reihe rauskam – darauf hört man quasi Filmmusik zu Filmen, die man sich selbst ausdenken muss. Das finde ich fast aufregender. Ich dachte mir so: Wenn schon kein neuer Carpenter-Film, dann kann er mich wenigstens in meine eigenen Alpträume schicken …

Dann haben Sie es genau richtig gemacht. So sind diese Alben gedacht.

Aber wie fühlen Sie sich denn dabei, jetzt nur noch in dieser Rolle des musikalischen Storytellers zu sein, wie Sie es vorhin nannten?

Ich denke da nicht groß drüber nach. Aber ich glaube, es fühlt sich großartig an. Ich meine, alles fühlt sich großartig an. Ich habe einfach das Regie-Führen gegen das Aufnehmen von Film-Soundtracks und meinen eigenen Alben eingetauscht. Ich habe nicht mehr diesen fürchterlichen Druck. Filme zu machen ist ein enorm harter Job. Als würde man in einer Braunkohle-Mine schuften. So hart ist es. Es frisst Zeit. Geld. Da ist der Druck, der auf dir lastet. In jeder einzelnen Sekunde. Das hat mich zermürbt. In meinem Fall war es auch noch so, dass ich manchmal das Drehbuch schrieb, den Film inszenierte und am Ende auch noch die Filmmusik machen musste. Ich war also völlig ausgebrannt von der Regiearbeit und habe jahrelang pausiert. Jetzt geht es mir besser. Sehr viel besser.

Ein Kollege von mir bat mich, Sie unbedingt auf ein anderes musikalisches Projekt anzusprechen – die Coupe De Villes. Ihre New Wave Band, die sie mit Nick Castle (Autor von „Die Klapperschlange“ und Michael Myers Body-Double im ersten „Halloween“) und Tommy Lee Wallace (Regisseur von „Halloween III“ und von „Es” mit Tim Curry) gründeten. Sie spielten den Titeltrack zu „Big Trouble in Little China“, hatten 1986 einen Cameo-Auftritt in Nick Castles „Der Knabe, der fliegen konnte“ und nahmen sogar ein Album namens „Waiting Out The Eighties“ auf, das jedoch nie offiziell veröffentlicht wurde, weil es als Geschenk für Freund:innen von Ihnen gedacht war. Ich soll nun fragen: Wird es jemals einen offiziellen Release oder gar eine Reunion geben?

(lacht) Oh Mann. Die Coups. Nun ja. Ich weiß es nicht. Wir sind alle so alt geworden. Ich weiß nicht, ob unsere Stimmen das noch mitmachen würden. Aber: Man weiß ja nie. Ich würde nicht „nein“ sagen.

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Sie und Cody und Daniel waren ja in den letzten Jahren sehr kreativ. Arbeiten Sie schon an neuen Alben oder Projekten?

Ja. Aber darüber werde ich Ihnen natürlich nichts verraten. Sie kennen das Spiel.

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Klar. Aber probieren kann man es ja mal. Dann haben Sie es aber auch schon fast geschafft mit mir. Eine Frage hätte ich noch: Haben Sie heutzutage eigentlich noch Lust darauf, Interviews zu geben? Sie machen das ja nur noch sehr ausgewählt und ihr Label musste Sie glaube ich auch diesmal ein klein wenig überreden …

Ach, in einem reduzierten Maße mag ich das noch ganz gerne. Ich muss nur die Zeit massiv reduzieren, die ich damit verbringe, weil mein Gehirn dabei nach einer Weile etwas matschig wird. Vor allem, wenn alle das gleiche fragen. Aber Ihre Fragen waren natürlich großartig. (lacht).

Natürlich.

Aber nichts für ungut: Ich freue mich trotzdem drauf, dass ich den Rest des Tages und der Woche fast nur Basketball schauen werde. Wissen Sie, die NBA-Liga hat gerade begonnen und die Golden State Warriors haben die Los Angeles Lakers besiegt. Das fängt schon mal ganz gut an.

Dann wünsch ich Ihnen viel Spaß dabei.

Danke sehr. Den werde ich haben.

Gabe Ginsberg Getty Images
Compass International Pictures/Getty Images
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