John Carpenter: alle Filme im Ranking, von Flop bis Top
20 Spielfilme hat John Carpenter bislang gedreht. Wir bringen seine Werke in die richtige Reihenfolge.
10. „Someone’s Watching Me!“ („Das unsichtbare Auge“, 1978)
Carpenters erster TV-Film erschien kurz vor seinem Durchbruch mit „Halloween“, entstand also in der „Classic Carpenter“-Phase der 1970er, fällt aber bei den meisten Würdigungen seines Gesamtwerks leider unter den Tisch.
Mit Lauren Hutton engagierte er seinen bis dato größten Star (und mit Adrienne Barbeau seine zukünftige Ehefrau). Harry Sukman, nicht Carpenter, schrieb den Score, etwas altmodisch wirkende Hetzgeigen-Musik. Vielleicht wurde hier erstmals deutlich, warum der Komponist Carpenter und der Regisseur Carpenter so gut zusammenpassen: Der Herzschlagtakt seines Synthesizers diktierte das Geschehen auf der Leinwand und umgekehrt. Das „unsichtbare Auge“ wäre, mit Carpenter in Vollkontrolle, als Psychothriller vielleicht noch effektiver gewesen.
Hitchcocks „Fenster zum Hof“ war Vorbild für die Geschichte einer Frau, die im Hochhaus gegenüber einen Voyeur vermutet, der sich dann auch noch in ihrer Wohnung zu schaffen macht. Meisterhaft arbeitet Carpenter mit Licht und Dunkel, bedrohlich-anonym wirkenden Fassaden und leeren Plätzen bei Nacht.
Die Metropole als eiskalter Lebensraum, dazu ein sanfter Schubs Richtung „Whodunnit“.
09.„They live“ („Sie leben“, 1988)
Sicher ist die Idee – Außerirdische kontrollieren uns, indem sie unsere Konsumsüchte triggern – größer als die Umsetzung: schlechte Tricks und der Wrestler Roddy Piper, der nicht schauspielern kann. Als Kommentar gegen Reagans Turbokapitalismus stand das Sci-Fi-Drama in den späten 1980er-Jahren dennoch mutig allein da.
Außerdem enthält der Film eine der unterhaltsamsten, manche sagen: überflüssigsten, auf jeden Fall längsten Prügelszenen des Kinos. Sogar der Schriftsteller Jonathan Lethem widmete sich diesem Fight ausführlich. Er verwies auf die Ironie, dass mit den Figuren von Roddy Piper und Keith David zwei Vertreter der weißen und schwarzen Arbeiterklassen verzweifelt gegeneinander boxen. Denn der eigentliche Feind über ihnen lacht sich schlapp.
Im ROLLING-STONE-Interview erzählt John Carpenter davon, wie wichtig es ihm gewesen war, die Infiltration aus der Sicht eines Gelegenheits-Bauarbeiters statt etwa Forschers zu erklären, also ganz unten anzusetzen, aus der Sicht eines Kapitalismusverlierers statt eines Mannes, der mit Intelligenzvorsprung dem Zuschauer schneller Zusammenhänge erklären kann.
Es gab Konflikte mit dem Produktionsstudio: Das erhoffte sich ein „Krieg der Welten“, also globalen Kampf in großem Maßstab. Carpenter war cleverer, vor allem kritisierte er mit dieser Satire unser Gesellschaftssystem, nicht das der Fremden. Die Außerirdischen wollen uns nicht mal töten. Sie wollen uns einfach benutzen, mit uns spielen.
Los Angeles bei Carpenter ist kein Hollywood, kein Beverly Hills oder Bel Air. Es ist ein Downtown, vielleicht ein Outer Skirts, in denen (illegale) Arbeiter schuften – und die maskierten Aliens sind Bürohengste. Der Filmkritiker Kim Newman stellte die These auf, dass Charaktere wie Nada heute nicht mehr politisch links einzuordnen, sondern wohl Trump-Wähler wären.
Der letzte Film, für den Carpenter Anerkennung erhielt, „They live“, liegt also 30 Jahre zurück.
08. „Starman“ (1984)
Roadmovie plus Science-Fiction. Es war Carpenter, der dieses Genre auf die Landkarte setzte, zuletzt zitierte Jeff Nichols mit „Midnight Special“ dieses wundersame Werk. Gerüchteweise soll Carpenter für kurze Zeit als Regisseur für Spielbergs „E.T.“ infrage gekommen sein – mit seinem „Starman“ verwirklichte er zwei Jahre später eine eigene Idee davon, was ein Außerirdischer wohl auf der Erde anstellen würde, nur um sie wieder verlassen zu können.
Schauspieler Jeff Bridges sicherte Carpenter die einzige Oscar-Nominierung, die eines seiner Filme je erhalten sollte („Bester Hauptdarsteller“). Bridges’ Wesen schlüpft in die Haut des verstorbenen Ehemanns von Jenny (Karen Allen), was aus „Starman“ einen schönen Liebesfilm macht. Einerseits beschließt sie dem Alien bei der Rückkehr ins All zu helfen – andererseits hat sie ja irgendwie auch ihren Mann zurück, falls das Ding entgegen seiner Ziele auf der Erde bleibt. Der Starman geht am Ende, aber er hinterlässt Jenny ein Geschenk.
Das Jahr 1984 war im Fantasy-Genre hart umkämpft: Indiana Jones, Ghostbusters, Star Trek 3, Conan 2, Gremlins, sogar die „Unendliche Geschichte“. „Starman“ spielte mit 28 Millionen Dollar gerade mal etwas mehr als sein Budget ein.
07. „The Fog“ („The Fog – Nebel des Grauens“, 1980)
Nach dem Erfolg von „Halloween“ stand Carpenter unter Druck, mehrmals schnitt er vor Kinostart den Horrorfilm über rachsüchtige Zombie-Piraten um: Er sei einfach nicht gruselig genug gewesen, die Story nicht stringent.
Tatsächlich war „The Fog“ vielleicht keine inhaltliche Weiterentwicklung – wieder kommt der Schwarze Mann aus dem Dunkel und schwingt ein Messer. Aber er funktioniert als visuelles und klangliches Gesamtkunstwerk aus Licht- und Schatteneffekten und einem Piano-basierten Soundtrack, gemischt mit Jazzradio-Musik; mit der DJ Stevie Wayne (Adrienne Barbeau) schuf Carpenter eine seiner vielleicht stärksten Figuren.
Natürlich geht es im „Nebel“ auch um die Notwendigkeit, dass böse Vergangenheit nie vergessen werden darf. Eines der Anliegen des untoten Kapitän Blake. Die Dinge sollen eben nicht im Nebel bleiben – tun sie ja am Ende auch nicht mehr.
„The Fog“ ist, wie der „Assault“, auch eine Hommage an die Western Howard Hawks‘: die Darstellung von Belagerungs-Situationen. Vor allem aber ist der „Nebel des Grauens“ eine Geistergeschichte, sie wird sogar von einem Erzähler am Lagerfeuer eingeleitet.
So beendete Carpenter die 1970er-Jahre, jenes Jahrzehnt, in dem der Horror durch Regisseure wie Cronenberg und Romero als Allegorie für politisch brisante Zeiten (Vietnam, Gesundheitspolitik) genutzt wurde, mit einem Rückzug ins Altmodische.
06. „Prince Of Darkness“ („Die Fürsten der Dunkelheit“, 1987)
Nach den Misserfolgen in Sci-Fi („Starman“) und Martial-Arts-Slapstick („Big Trouble In Little China“) kehrte Carpenter den großen Studios den Rücken zu, fokussierte sich wieder auf Horror. Und wie! Die Apokalypse inszenierte er mit reduzierten, perfekt eingesetzten Mitteln: die Ameisen in der Sonne, DIESE perfekt gelegene und ausgeleuchtete Kirche in Los Angeles, die Behälter, in denen das Böse grünlich leuchtet.
Carpenter gelangen hier in einem Film so viele Jump-Scares wie sonst in zwei Filmen. Alice Cooper spielte den Adjutanten Satans, der mit seinen Jüngern das liebste Setting des Regisseurs – die durch Howard Hawks’ Western bekannte Belagerung eines Schutzortes – forciert. Nur mit dem Unterschied: DRINNEN ist es noch schlimmer. Wer sieht, wie Cooper den armen Thom Bray mit einem Fahrrad angeht, wird den bebrillten Nerd zumindest in der Vorabendserie „Trio mit vier Fäusten“ nie wieder mit unschuldigen Augen betrachten können.
Das offene Ende ist überwältigend; der Einsatz von VHS-Technik (die Traumsequenz), fast 15 Jahre vor dem Durchbruch des„Found Footage“-Horrors à la „Blair Witch Project“, ein letzter Geniestreich Carpenters.
„We are contacting you from the year one. Nine. Nine. Nine …“
05. „Dark Star“ (1974)
Carpenters erster Spielfilm entstand als Uni-Projekt an der UCLA. Weil der Streifen danach ins Kino kommen durfte, streckte der Student ihn auf 74 Minuten – auf fast schon unverschämte Weise, etwa, indem er minutenlanges Xylophonspiel zeigt, das mit der Story nichts zu tun hat.
„Dark Star“ ist eine Hommage an den bestimmenden intelligenten Sci-Fi-Film seiner Zeit, natürlich Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, und dessen Blick auf die Gleichgültigkeit des Alls und die Gnadenlosigkeit der Computer. Den Sinn ihres eigenen Daseins wiederum versuchen die Hippie-Astronauten durch Ray-Bradbury-Philosophie zu finden, der ja in allem eine göttliche Ordnung sah: Zum Staub kehren wir zurück.
Überhaupt, die Hippies. Bei Carpenter sind sie längst eine aussterbende Gattung, zu nichts nütze. Liegen auf ihren Pritschen, spielen eben Xylofon oder plagen sich mit Außerirdischen herum, die ihnen buchstäblich auf der Nase herumtanzen.
Ein irres, lustiges, aber eben auch tiefgründiges Debüt, das jeden angeht, der glaubt, der Mensch sei auch für den Weltraum geschaffen.
04. „Assault On Precinct 13“ („Assault – Anschlag bei Nacht“ bzw. „Das Ende“, 1976)
Wie später im „Prince Of Darkness“ suhlte Carpenter sich hier in den Western von Howard Hawks und John Ford, auch hier werden die Aufrechten belagert. Eine Szene kopierte er direkt aus „Rio Bravo“ – Napoleon Wilson (Darwin Joston) fängt eine Schrotflinte und schießt aus dem Wurf heraus.
Verbrechensforscher könnten mokieren, dass Carpenter sich zu wenig der „Gegenseite“ widmet, die Ursachen für Gewaltkriminalität außen vor lässt (in der Eröffnungssequenz wird schließlich eine Bande in einen Hinterhalt gelockt und von der Polizei zusammengeschossen). Aber ein ausgewogenes Porträt des Verbrechens in Los Angeles hat ihn eh nicht interessiert. Die Angreifer zeigt er als nahezu stumm, leidenschafts- und erbarmungslos, sie ähneln den Zombies aus Romeros „Night Of The Living Dead“. Vielleicht Carpenters erster Horrorfilm, denn das marschierende Grauen würde er im nächsten Werk, „Halloween“, perfektionieren.
Sein erster großer Kinofilm sorgte für Aufsehen, mit Frank Doubleday (als „White Warlord“) entdeckte Carpenter einen auffälligen Antagonisten (als „Romero“ in „Escape from New York“ würde er noch beeindruckender auftreten).
Der Mord an dem Mädchen am Eiswagen ist grausam, aber man muss das als Kinozuschauer aushalten können. Und die DJs förderten Carpenter als Musiker: Der Groove des „Main Title“ klang wie der böse Bruder von Disco und lief in den Clubs.
03. „Escape From New York“ („Die Klapperschlange“, 1981)
Wer ein Projekt dieser Art heute plant, müsste dafür mindestens 200 Millionen Dollar in die Hand nehmen.Die Apokalypse, weltweit. Carpenter benötigte nur sechs Millionen.
Die Idee hinter der „Klapperschlange“ war genial: 16 Jahre in der Zukunft, der Dritte Weltkrieg droht, ganz Manhattan ist ein Knast, die schlimmsten Schwerverbrecher verwalten sich darin selbst, der US-Präsident stürzt mit der Air Force One darüber ab, wird vom „Duke Of New York“ gefangen genommen, Snake Plissken muss eingeschleust werden, hat 24 Stunden Zeit den POTUS zu befreien, sonst BANG: Die Russen greifen an, die Welt wird in Schutt und Asche gelegt.
Wie gesagt: heute 200 Millionen.
Carpenter drehte billiger, in St. Louis (Auftrag an den Setdesigner: „Finde die dreckigsten Straßen der USA“), entdeckte in Isaac Hayes einen imposanten „Duke“ und mit Kurt Russell als Verlegenheitslösung (für Charles Bronson) genau das, was die Verlegenheitslösung Harrison Ford (für Tom Selleck) als Indiana Jones war: den perfekten, ikonisch eingekleideten Helden.
Carpenter schrieb das Drehbuch 1976, er war erbost über den Watergate-Skandal, verlor das Vertrauen in Anführer. Das Motiv prägte weitere Filme, seien die Oberhäupter staatliche („They live“) oder religiöse („Vampires“).
Welcher Scherzkeks war eigentlich für den deutschen Filmtitel „Die Klapperschlange“ verantwortlich? Die Tätowierung zeigt doch ganz klar eine andere Schlange.
02. „Halloween“ („Halloween – Die Nacht des Grauens“, 1978)
Die „Geburt des Slasher-Films“, die „Geburt der Scream-Queen Jamie Lee Curtis“, die „Geburt des modernen Horror-Kinos“. Es ließen sich bestimmt viele weitere „Geburten“ für Carpenters dritten Kinofilm finden, der vor 41 Jahren alles auf den Kopf stellte. Von da an erhielten seine Werke im Titel das ehrende Siegel: „John Carpenter’s …“
Dabei hat Michael Myers, der mörderische Stalker mit der weißen Captain-Kirk-Maske, durchaus Humor. Sein Auftritt als Geist, der sich über das Bettlaken noch eine Brille aufsetzt, gehört zu all jenen Momenten, die nicht nur aufs Unterbewusste zielen, sondern auch Einblicke in Psychopathien bieten, die sich niemals ergründen lassen.
Die Pointe: Es ist ausgerechnet ein Naturwissenschaftler, der Arzt Dr. Loomis (Donald Pleasence), der nicht mehr an die Therapie seines Patienten Myers glaubt. Er glaubt nicht mal mehr, dass der noch ein Mensch ist, jemals ein Mensch war. Er hält ihn für das Böse an sich.
Diese Kapitulation vor den (Behandlungs-)Möglichkeiten, die wir uns über Jahrhunderte angeeignet haben: Auch das macht „Halloween“ so brutal.
01. „The Thing“ („Das Ding aus einer anderen Welt“, 1982)
Carpenters erster Kinoflop ist heute sein meistgefeierter Film überhaupt. Natürlich! Der Regisseur selbst strickt an der beliebten Legende, dass sein brutaler Alien nur deshalb unterging, weil parallel der knuddelige Außerirdische E.T. anlief. Keine gute Zeit für Monster, daran soll’s gelegen haben.
„Sie werden niemals wieder einen Film dieser Art sehen“, sagt Carpenter, und das stimmt wohl: Die Masken, Puppen, Drähte und Schläuche, die die Effektemacher Stan Winston und Rob Bottin miteinander verwoben, dehnten oder in Brand setzten, waren State of the Art. Im Feuer wurde rotes Gummi grün. Das war nicht beabsichtigt, aber wohl ganz im Sinne des außerirdischen Wesens. Wer je eines der „Ding“-Inkarnationen in den 102 Minuten gesehen hat, ob als Husky, Bennings, Norris, vergisst es nie wieder.
Aber es sind nicht mal die Spezialeffekte, die „The Thing“ zum Spektakel machen. Die zwölf Antarktis-Forscher sind ein Spitzen-Ensemble, zwölf Charaktere voller Misstrauen und Angst, sie sind selbst vermummt und im Eis-Parka noch einzeln auszumachen. Derart viel Leben.
Der Film dreht sich um Paranoia – wer ist infiziert, wer ist noch Mensch? –, das hat Carpenter von Christian Nybys „The Thing From Another Word“ (1951) übernommen, das natürlich im Kalten Krieg entstand. Wer von uns ist im Geheimen ein Kommunist?
Die größte Geek-, Nerd-, Fanboy-Frage aller Zeiten wird natürlich diese bleiben: Wer schoss zuerst, Han oder Greedo? Aber die zweitgrößte hat sich Carpenter gesichert: Childs oder McReady – Wer ist am Ende das „Ding“?
Bei keinem Horrorfilm der Kinogeschichte versuchen sich Kritiker wie Fans derart an Wiedergutmachung dafür, dass sie ihn 1982 durchs Raster fielen ließen.
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