Joe Jackson – Kleiner Duke
Auf seinem aktuellen Album forscht Joe Jackson in alten Ellington-Stücken nach neuen Sounds
Joe Jackson sieht erschöpft aus, beim Gehen scheint er das rechte Bein nachzuziehen. Sein Gesicht wirkt aufgedunsen und unnatürlich gerötet vom Jetleg. Obwohl seit Jahren in Berlin wohnhaft, ist Jackson noch immer ein unsteter Geist, der das Pendeln zwischen Metropolen genauso braucht wie den musikalischen Austausch der Kulturen. Wäre er ein Pubertierender, würde man ihm heute wahrscheinlich eine Hyperaktivitätsstörung attestieren. „Ich war ein verrücktes Kind“, bestätigt er dann auch gleich. Der Beweis: „Mein erster Held war Beethoven. Da war ich 13.“
Neues entdeckte er in Second-Hand-Plattenläden und verbrachte, wenn er nicht gerade selbst ein neues Instrument ausprobierte, die meiste Zeit am Plattenteller, auf dem immer öfter amerikanischer Jazz rotierte. Seine eleganten, teils lyrisch verspielten Melodien, mit denen er Mitte der 80er zu Weltruhm gelangen sollte, hatten hier ihren Ursprung: in Glenn Miller, Lester Young, Louis Jordan.
Und in Duke Ellington, dem Jackson mit seinem neuen Album, „The Duke“, auf ungewöhnlich experimentierfreudige Weise Tribut zollt – ein Jazz-Album, von dem er selbst sagt, dass es keines ist. Aufgenommen hat er es mit einer kuriosen Schar von Freunden, in der Saiten-Onanist Steve Vai genauso Platz findet wie der rauschgiftgegerbte Punk-Gollom Iggy Pop. Um seine Vision von Ellingtons Musik zu verwirklichen, verzichtete er auf den Einsatz von Bläsern. „Selbst auferlegte Einschränkungen wirken befreiend. Das klingt paradox, aber wenn man weiß, dass man etwas nicht machen kann, muss man sich für die Dinge öffnen, die infrage kommen“, erklärt Jackson.
Restriktionen, zumal staatlich oktroyierte, lösen bei ihm ansonsten vehemente Abwehrmechanismen aus. So ist Jackson seit Jahren berüchtigt dafür, wütende Pamphlete gegen Rauchverbote und andere gesetzlich verordnete Gesundheitsmaßregeln zu verfassen. Eigentlich sehne er sich ja nach Vorbildern, aber statt derer gebe es heute bloß noch Politiker, „die das verkünden, was ihnen große Organisationen sagen. Sie vermitteln eine verlogene Vorstellung von Wissenschaft und Gesundheit.“ Und natürlich liefert Jackson, der brillante Gesellschaftsanalytiker, gleich eine historische Herleitung mit: Nach gescheiterten Königen, Religionen und politischen Ideologien flüchte sich die herrschende Autorität in – nun – das Rauchverbot. „Was die Politiker heute als Rechtfertigung benutzen, ist Gesundheit – das, was auch alle Ärzte sagen.“
Da schüttelt es den leidenschaftlichen Raucher und Systemkritiker. Niemals habe er versucht, in seiner Musik Vorschriften zu transportieren. Das habe ihm der Jazz gezeigt dass sich das verbietet.