Joe Dante zum 70. Geburtstag: Ein Regisseur für jede Hinterlist

Der Satiriker, Parodist und große Filmemacher Joe Dante wird 70. Über einen Regisseur und sein Kino, dessen Spuren überall in Horror und Sci-Fi zu finden sind.

Joseph James Dantes Vater war Profi-Golfer, aber Joe wollte lieber Cartoonist werden. Er landete beim Kino. Sein Ideal ist so schlicht, so kindlich, so selbstverständlich wie schön. „Ich will Filme drehen, die zeigen, was man im wahren Leben nicht machen kann. Die Dinge zeigen, die wir nicht beim Spaziergang bemerken – sondern nur solche, die es wirklich nur im Film gibt.“ 1984 sagte er das, sprach von seinem eigenen Werk, „Gremlins“. „Und dieser Film?“, stellte Dante in den Raum. „Glauben Sie mir, dieses Zeugs kriegen Sie wirklich nur im Kino zu sehen.“ Am Montag wird der Regisseur nun 70 Jahre alt.

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Joe Dantes Werke können sehr lustig und sehr gruselig sein, und beides, Humor und Horror, hatten seine zwei Mentoren gefördert: Roger Corman und Steven Spielberg. Zunächst kam Corman. Der Routinier, heute 90, als Godfather des B-Movies weggelobt und damit stets unter Wert verkauft, ließ Dante 1978 „Piranhas“ drehen, ein Filmchen im Windschatten der nach dem „Weißen Hai“ in den Spätsiebzigern so populär gewordenen Tier-Streifen. Brachte der Zögling gut über die Bühne.

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Aber schon mit dem nächsten Auftrag, „Das Tier“ (Original: „The Howling“, 1981), kam es für den 35-Jährigen zu einer Kraftprobe. Das Werwolf-Genre galt als tot. Würde die Wiederbelebung des angestaubten Wesens heute versucht werden, das Internet glühte wahrscheinlich vor Aufregung – denn gleich drei Filme über Lykanthropen wurden damals im selben Jahr angesetzt. „Wolfen“ hatte, trotz Albert Finney in der Hauptrolle, die schlechtesten Karten, war schwer zu vermitteln, ein Ökologie-Thriller um die späte Rache der Indianer an den Siedlern, in dem Wölfe eher symbolisch zum Einsatz kamen.

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Dante mit seinem „Tier“ und John Landis mit „An American Werewolf in London“ wählten, als hätte es eine Absprache gegeben, den richtigen Ansatz: Das haarige Monster war zu parodieren. Beide fuhren volle Mannschaftsstärke auf – auch das ein heute wenig erinnertes Messen. Dante vertraute seine Spezialeffekte dem 21-Jährigen Rob Bottin an, einem jungen Kabel-, Gummi- und Glibber-Genie, das wenig später, in Carpenters „The Thing“, zur vollen Entfaltung kam (Bottin ist seit fast 15 Jahren aus dem Geschäft verschwunden). John Landis hatte mehr Budget, holte sich die Nummer eins des Masken-Geschäfts, Rick „Star Wars“ Baker.

Welcher Wolf war besser?

Am Ende war Landis nicht zu schlagen: Der Ansatz, dass ein unglücklicher Amerikaner-Werwolf durch die verwinkelten Londoner U-Bahnhöfe eilt, war einfach zu gut; die Traum-im-Traum-Sequenz mit den Nazi-Zombies (äh, ja) fasziniert Kinogänger bis heute; außerdem traute der Regisseur sich, den Werwolf als das zu zeigen, was es ist: ein Vierbeiner. Ein Tier. Nicht ein Mann-Tier im barocken Rüschenhemd, wie in den Filmen der Hammer Horror Studios der Fünfziger.

Dantes Kreatur war zwar leider auch nicht gerade ein Heuler (Entschuldigung für das Wortspiel), erinnerte an einen Schäferhund auf zwei Beinen. Der Geek-Poll aber, „Welcher Werwolf war besser?“, ist heute noch beliebtes Netz-Thema und steht in einer glorreichen Reihe mit Abstimmungen á la „Rennende oder schlurfende Zombies?“.

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„Das Tier“

In beiden Filmen spielen Pornokinos eine Rolle, Landis ging zum Londoner Piccadilly Circus, Dante hingegen baute einfach seine Garage um. Zu der geisterhaft-schönen Musik Pino Donaggios sehen wir – leider etwas statisch inszenierte – Verwandlungen und empfinden jene typische Ärger-Lust, sobald auf der Leinwand weibliche Opfer starr vor Schrecken einer minutenlangen Transformation zusehen statt die Beine in die Hand zu nehmen. „Das Tier“: zumindest eine gelungene Satire.

Bei den Dreharbeiten zu "Gremlins", 1984 (Photo by Warner Brothers/Getty Images)
Bei den Dreharbeiten zu „Gremlins“, 1984 (Photo by Warner Brothers/Getty Images)

Danach kam das, was man „einen Lauf haben“ nennt. Steven Spielberg protegierte den gleichaltrigen Dante und schuf das Dream Team, zu dem sich für die Kino-Umsetzung von „The Twilight Zone“ (1983) zunächst Komponist Jerry Goldsmith, später Drehbuchautor Chris Columbus gesellen sollte. In den frühen Achtzigern war Spielberg dem Horror-Genre zugetan, und auch, wenn sein Engagement von Regisseur Tobe „Texas Chainsaw Massacre“ Hooper für „Poltergeist“ ein Fehler gewesen sein könnte (Spielberg übernahm die Dreh-Leitung nach Querelen inoffiziell selbst), vertraute er Dante für „Twilight Zone“ jene Episode „It’s A Good Life“ an, die damals beider größtes filmisches Interesse ausmachte: Welche Schrecken lauern hinter der Fassade der heilen Vorstadt-Welt?

Von großartig animierten Puppen lebte auch der Überraschungshit „Gremlins“, an den sich Dante, Spielberg, Goldsmith und Columbus 1984 machten, und der in Deutschland den etwas naiven, aber auch treffenden Zusatztitel „Kleine Monster“ trägt. Dante durfte jetzt mit viel Geld subversiv sein, für Spielbergs neue Produktionsfirma Amblin Entertainment. Bis heute wünschen sich viele ein Remake des Films, aber keiner traut sich an die Umsetzung – weil alle wissen, dass computergenerierte Kreaturen keine Chance hätten gegen das Charisma der echsenhaften Gremlin-Puppen und der Niedlichkeit der bepelzten Mogwais.

Weihnachtsmann bleibt stecken

„Gremlins“ war vor allem eine Parodie auf die Konsumlust der Amis, auf die Suche nach dem perfekten Weihnachtsgeschenk, auf das Tohuwabohu in den christlichen Wochen. Das Werk streifte urbane Mythen – vom als Vater verkleideten Santa Claus, der im Kamin stecken bleibt und verhungert – und Legenden, wie die der traumatisierten Weltkriegspiloten, die Maschinenausfälle auf die Übeltaten von Monstern („Gremlins“) zurückführten. Unterschwellig spielte der Film auch auf den Stress an, den jeder Erziehungsberechtigte 24/7 kennt, wenn er ein Kind zu betreuen hat. Der junge Billy (Zach Galligan) als Quasi-Vater des Mogwai muss Regeln beachten, das Quasi-Kind im Zaum halten. Fall es nach Mitternacht Essen bekommen (also pubertiert), wird es zum Monster. Dantes Kunststück bestand darin, dass wir unsere Sympathien gleichermaßen auf Mogwais wie Gremlins verteilten.

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Nach dem erfolgreichen „Gremlins“ hatte nun auch Steven Spielberg zwei Ziehsöhne. Die positiven, teureren Werke bekam Regisseur Robert Zemeckis, etwa „Zurück in die Zukunft“ (1985), sowie jene, die neue Technik verfeinerten, „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ (1988) oder „Der Polar-Express“ (2004). Dante sollte sich dem Kleineren, Durchgeknallten widmen.

Stranger Things auch hier

„Explorers“ (1985) hätte im Jahr 2016 sein Comeback feiern müssen, wurde aber kaum beachtet. Das aktuelle, als TV-Sensation gefeierte, retro-romantische „Stranger Things“ weckte bei Fans und Rezensenten Erinnerungen an die Achtziger, an „E.T.“, Stephen King und „Es“, die „Goonies“ – aber keiner kam bislang auf Dantes „Explorers“. Dabei war in dem Abenteuer der Kids, die mit einem aus Schrottteilen gebauten Raumschiff ins All aufbrechen, alles drin: Die Musik der Zeit, BMX-Fahrten, kopfschüttelnde Eltern sowie eine Clique um den jungen River Phoenix, den man rückblickend in diesem Film ja irgendwie erwartete, obwohl ihn damals keiner kannte; als auch Ethan Hawke, der hier tatsächlich noch jünger aussieht, als man es sich vorstellen kann.

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„Explorers“ floppte damals, war auch etwas wirr, nicht zuletzt wegen eines hastig montierten dritten Akts, in dem die Teenies auf abscheulich anzusehende, nicht wirklich lustige Aliens stoßen. Nach dem Misserfolg fing Dante an, sich über die Studios, über Terminpläne und die Arbeit der Cutter zu beschweren.

Seitdem läuft es nicht mehr rund für den Regisseur, der damals noch keine 40 war. „Innerspace – Die Reise ins Ich“ (1987) war ein Remake von „Die phantastische Reise“ und interessierte die wenigsten; immerhin erhielt hiermit ein Dante-Werk erstmals einen Oscar (beste Spezial-Effekte). Für die Komödie „The Burbs“ (1989) holte er sich mit Tom Hanks einen Star, aber die Satire auf Nachbarschaftsverdächtigungen, wie es sie angeblich nur in US-Vorstädten geben könnte, wuchs nie über den so genannten „Kult-Status“ hinaus.

Gremlins 2 – zum Abschalten

Mit „Gremlins 2: The New Batch“ (1990) zerstörte Joe Dante beinahe sein eigenes Erbe. Die Fortsetzung kam nicht nur viel zu spät, sie bot auch keine neuen Ansätze, vielmehr gegen Ende eine lose Aneinanderreihung von Sketch-Momenten seiner „kleinen Monster“ – von allem zu viel, als hätte man eimerweise grüne Soße getrunken und müsste sich gleich übergeben. In Erinnerung bleibt die Besetzung Christopher Lees als verrückter Wissenschaftler. Lee befand sich im schauspielerischen Niemandsland, wurde gecastet lange nach dem „Dracula“-Ruhm und lange vor dem „Herrn der Ringe“. Der Coup erinnerte daran, dass Dante seine alten Helden aus den Fünfzigern und Sechzigern zu huldigen wusste. Schon für „Das Tier“ präsentierte er Patrick „Mit Schirm, Charme und Melone“ Macnee out of character als Gruppentherapeut der Werwölfe.

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Als man Dante 1991 für die TV-Serie „Eerie, Indiana“ engagierte, geschah das bereits mit dem nostalgischen Hintergedanken, einen Veteranen auf das Thema „Vorstadtkids meets Twilight Zone“ anzusetzen. Aber auch an das erfrischende, wenn auch kurzlebige „Eerie, Indiana“ denkt heute keiner, wenn „Stranger Things“ mit dem x-ten Vergleich in den Himmel gehoben wird.

1998 dann Dantes letzter, kleiner Triumph: In „Small Soldiers“ ziehen Action-Figuren in den Krieg gehen Kinder, die daraufhin Hilfe von anderen Action-Figuren erhalten. Pointe: Es sind die US-Helden, die G.I. Joe-Puppen, die die Bösewichter sind, und es sind die hässlichen Monster, die den Kids helfen, ihre Zimmer zur gewaltfreien Zone zu machen. Kein Hit natürlich, vielleicht, weil „Small Soldiers“ eine Parodie war auf amerikanische Werte und das Heiligtum Spielzeug, über das der Charakter geformt wird.

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Als Comeback wurde 2009 „The Hole“ beworben, das Dante in 3-D verwirklichen durfte. Die Idee ist reizvoll – Teenager entdecken in ihrer Garage ein scheinbar ins Nichts führendes Loch –, aber dann wird die zweite, symbolhafte Ebene präsentiert. „Wovor hast Du Angst?“ titelte der deutsche Verleih im Zusatz, und das „Loch“ wird zur Reise ins eigene Unbewusste und zu Kindheitserfahrungen, „innere Dämonen überwinden“ etc. Das war nichts für Dante. Zum Finale des Films bekämpfen sich Sohn und toter Vater auf einer Plattform in den Wolken – ganz schlimm.

Am Ende: Apokalypse

Mit „Weg mit der Ex“, einer Untoten-Komödie, drehte Dante 2014 dann sein jüngstes, wenig beachtetes Werk. Immerhin ist er noch, wie Tobe Hooper, aber anders als der etwa gleichaltrige John Carpenter, noch im Geschäft. In der Vorproduktion befindet sich „The Man With Kaleidoscope Eyes“, der Titel spielt auf den Beatles-Song „Lucy In The Sky With Diamonds“ an. Plot: Im Jahr 1967 will Roger Corman in die Welt der Psychedelia eintauchen und wirft sich LSD ein, assistiert von den späteren „Easy Rider“-Experten Jack Nicholson, Peter Fonda und Dennis Hopper. Für Corman muss das damals ein echter Trip gewesen sein, für seinen Zögling Dante wird es nun vielleicht ein Trip auf der Memory Lane.

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„Ich war immer so etwas wie ein ‚Apocalyptic Kid’, ein Fan des Weltuntergangs“, sagte Joe Dante mal rückblickend. „In allen meinen Filmen ging es immer um die Apokalypse.“ Vielleicht musste er dabei, so wie manchmal seine Figuren im Angesicht des Schreckens, ja lachen: „Apokalypse ist das Thema, das mir Angst macht … neben Republikanern.“ DIE sollte er mal als Regisseur angehen, es drängt sich jetzt doch geradezu auf.

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Michael Ochs Archives Getty Images
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