Joe Cocker
Alle (zwei) Jahre gibt es etwas Neues von unser aller Joe. Der ehemalige Klempner aus Sheffield kann’s einfach nicht lassen. Und wie es sich gehört, folgt der neuen LP „No Ordinary World“ stante pede die große Deutschland-Tournee, denn die Teutonen sind seit 20 Jahren seine treuesten Fans.
Was ist heutzutage noch ungewöhnlich im Leben des Joe Cocker?
Das frage ich mich auch. Ich verlor vor kurzem einen Roadie. Er starb an Krebs. Er war bei 14 von insgesamt 20 Welttourneen mit dabei Und natürlich kommt mir der Gedanke: „Wie lange kann ich das noch machen?“ – Aber ich freue mich jedesmal darauf, wenn’s losgeht. Es ist immer ein Abenteuer. Die Welt ist ja dermaßen computerisiert geworden, da freue ich mich riesig, dass ich noch da bin. Ich bin wohl einer der letzten Dinosaurier…
…und auch immer noch mit voller Kraft dabei?
Es heißt ja, Rock’n’Roll hält dich jung. Wenn du auf Tour bist, ist der Verschleiß wirklich heavy. Wenn ich auf Tournee gehe, bedeutet das 18 Monate harte Arbeit. Da musst du dich schon richtig reinknien – Tag für Tag.
In Ihrem Song „Father’s Son“ gibt es die Zeile: „I lived my life as my father did“. – Singen Sie da tatsächlich über Ihren Vater?
Oder über den Vater im Himmel. (lacht) Ich kann ja nicht gerade behaupten, dass ich dem Lebensweg meines Vaters genau gefolgt bin. Er hat mir ein paar Dinge mitgegeben, welche mir durchs Leben helfen sollten – was die Charakterstärke anbelangt oder wie man sich benimmt, wenn man unter Leuten ist. Das habe ich dann irgendwann zwar etwas aus den Augen verloren, mich später jedoch darauf zurück besonnen.
Was sind Sie heutzutage, ein singender Farmer oder eher ein Sänger mit einer Farm?
Weil ich auf einer Ranch lebe? Als meine Frau Pam und ich auf die Ranch in Colorado zogen, da hat sich unser Leben richtig verändert. Wir dachten, dass wir von allem etwas Abstand gewinnen würden, und haben uns zunächst nur ein größeres Haus gebaut. Jetzt haben wir auch noch ein großes Restaurant, das sehr gut läuft Ich gehe ein paar mal in der Woche hin und esse ein Sandwich. Wenn die Leute mich erkennen, bleiben sie trotzdem nett und freundlich. Es ist schon entspannend, so weit weg vom Schuss zu sein.
Wer hat im Restaurant das Sagen?
Pam, sie ist der Boss. Das Cafe ist ihr Revier. Ich misch mich da nicht besonders ein. Für mich ist es ein Spaß, ab und zu mal reinzuschauen.
Was Ist Ihr Lieblingsessen?
Das Sandwich, das sie nach mir benannt haben. Es heißt „Joe’s Combo“. Es besteht aus je einer Scheibe gekochtem Schinken, rohem Schinken, Truthahn und Roastbeef auf einem Weizenbrötchen mit etwas Salat Und dazu ein gutes Vanille-Eis.
Auf der Speisekarte des Restaurants gibt’s auch ein Getränk, das Java „Joe’s Cappuccino Brain Freeze“ heißt Was ist das bitte schön?
Das ist ein Eiskaffee, eigentlich ein Shake. Er ist köstlich. (lacht) Kein Alkohol im Cocker-Cafe? Wir haben eine Ausschankkonzession für Alkohol. Wir haben einige Sorten Bier und Wein und auch ein paar Sektmarken, da wir auch Banketts veranstalten. Aber Alkohol spielt nur eine unbedeutende Rolle im Restaurant Die Leute verlangen nicht oft danach. Es gibt eine andere Bar, nicht weit weg von unserer. Die harten Jungs können eigentlich gleich dorthin gehen.
Warum waren Sie in diesem Jahr in Woodstock nicht mit dabei?
Ich finde, 25 Jahre nach Woodstock I war ein guter und angemessener Zeitpunkt, nicht aber 30 Jahre danach. Ich bin unheimlich froh, dass ich diesmal nicht dabei war. Soviel ich weiß, gab es vier Vergewaltigungen. Das finde ich echt schlimm. Ich habe Sheryl Crows Artikel im „Billboard“ gelesen. Sie sagte, dass nicht wenige Leute nur in der Absicht erschienenen waren, dort mal Randale zu machen. Diese Veranstaltungen – ich habe ja die beiden ersten mitgemacht – sind schon merkwürdig. Wenn 200 000 Leute zusammen kommen, dann sind das einfach viel zu viele, um sie kontrollieren zu können. Mir schwante schon immer, dass so etwas mal schiefgehen kann. Ich glaube, diesmal hat man den Namen „Woodstock“ ruiniert. „Woodstock“ stand für Liebe und Frieden. Aber es gibt ja noch immer die kleine Veranstaltung auf dem Originalschauplatz, was meiner Meinung nach als das wahre Woodstock weiter bestehen sollte.
Was war die einschneidendste Veränderung im Musikgeschäft in den vergangenen 30 Jahren aus Ihrer Sicht?
Es wird immer unpersönlicher. Ich erinnere mich noch, als ich bei A&M-Records unter Vertrag war, da konnte ich einfach ins Office gehen und problemlos mit Herb Alpert reden. Ich konnte überall in den Büros rumlaufen. Davon kannst du heute nicht mal mehr träumen. Zumindest nicht in Amerika.
Sie sind seit einigen Jahren „Executive Producer“ Ihrer eigenen Alben. Ist das eine Reaktion auf die Veränderungen im Musikgeschäft?
Ach, das ist nur ein Titel, der halt bedeutet, dass ich das Projekt überwache. Ich habe mir den Titel „Executive Producer“ ja auch nicht selbst gegeben. Es ist halt nur so ein Titel sonst nichts.
Was macht Ihnen mehr Spaß, wieder auf Tournee oder auf Ihrer Ranch zu sein?
Ich weiß nicht, was die richtige Wirklichkeit ist Ich glaube, ich habe in meiner Seele etwas von einem Zigeuner, denn es zieht mich immer wieder auf die Straße. Ist schon komisch. Auf der Ranch stehe ich früh auf und bin abends um zehn im Bett Wenn ich unterwegs bin, wird es vier oder fünf Uhr, bevor ich ins Bett komme. Und das färbt dann auf den Lebensstil natürlich ab. Ich werd zum Vampir, wenn ich auf Tournee bin.
Und was treibt Sie immer wieder auf die Bühne?
Null Ahnung. Das werde ich sicher erst wissen, wenn es nicht mehr so richtig läuft. Mit 60 überlege ich vielleicht mal, ob ich weiter machen will…