JIMI TENOR & MASSIVE ATTACK

Dr. Phibes ist wieder da, und er spielt die Orgel furchteinflößender als je zuvor. Wie einst Vincent Price in dem Horror-Klassiker „House Of Wax“ erscheint Jimi Tenor auf der Bühne des Hamburger Stadtparks: Die Augen rollen pathetisch, über seine Schultern ist ein roter Umhang geworfen. Und auch er nimmt Rache, weil er nämlich mal von der Jazz-Hochschule von Helsinki geflogen ist. Das hat er der Menschheit nie verziehen. Die Rolle des Wahnsinnigen ist dem Kauz mit seiner überdimensionalen Hornbrille auf den Leib geschrieben, und als er sich dann hinter seiner Burg aus Keyboards verschanzt hat, da nimmt die Alchimie ihren Lauf. Swing wird mit elektronischen Rafinessen versetzt, Funk synthetisch verfeinert.

Tenor wirbelt wild hinter den Tasten, aber das Publikum läßt sich nicht beeindrucken. Seltsam. Bleibt die Frage, wie sich Elektronika, die schnelle, schlaue Musik der Clubs, zukünftig für Grillparties und andere Open-air-Gepflogenheiten aufrüsten läßt.

Eine Frage, die Massive Attack nicht interessiert. Sie sind die Santana des TripHop, weshalb immer wieder ganz viele Menschen zu ihren Konzerten erscheinen, ohne daß Bedarf für ein neues Album besteht. Sie müssen nur ihre wenigen alten Hits spielen, ansonsten herrscht Narrenfreiheit. Was ihre Auftritte zu einer extrem zwanglosen Angelegenheit macht Irgendwann schlurfen 3D, der kurze Blonde, und Daddy G, der schwarze Schrank, auf die Bühne, so als wollten sie nur noch schnell das Mikro richten. Sie bewegen sich wie Kiffer, denen ihre selbsterzeugten Hasch-Schwaden undurchdringlich erscheinen.

Neben zwei Sängerinnen gehört auch diesmal Horace Andy ins Ensemble. Der Reggae-Crooner, von dem gerade mit „Good Vibes“ eine exzellente Retrospektive seines Schaffens in den Siebzigern erschienen ist, verleiht Massive Attack sowas wie Verbindlichkeit, denn oft sind sie lässig bis zur Selbstaufgabe.

Der Beste war aber der Vorsänger Lewis Taylor, ein Adept des liebeskranken Marvin Gaye. „Bittersweet“: pure soul.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates