Olli Dietrich im ROLLING STONE-Gespräch: „Jetzt bist du in Talkshows!“
Als Parodist und Imitator ist OLLI DITTRICH ein Meister, seine Imbiss-Lamentos in „Dittsche“ gehören zu den Sternstunden des Fernsehens. In seiner neuen Persiflage auf Talkshows verkörpert er alle Gäste selbst. Ein Gespräch über den „Frühschoppen“, Woody Allen, Udo Jürgens, den HSV und die Wonnen von Schallplatten
Bist Du noch ein Mensch, der LPs hat, CDs kauft – oder bist du digital unterwegs?
Ich finde es immer mal wieder reizvoll, eine Schallplatte zu hören.
Aber es hat in den vergangenen Jahren stark nachgelassen. Ich habe auch keinen wirklich funktionierenden Plattenspieler mehr – aber bestimmt noch rund 500 LPs, die trocken und warm archiviert in meinem Lagerraum stehen, da, wo auch meine Schlagzeuge und eine ganze Menge Gitarren sind. Zu Hause habe ich noch eine kleine Auswahl an CDs, höre aber tatsächlich so ein bisschen von der Hand in den Mund. Und auf das, was aktuell und wirklich hörenswert ist, weist mich mein vierzehnjähriger Sohn hin. Der kennt sich total aus, findet und hört echt gutes Zeug. Und er spielt auch schon spitze Klavier, da kann ich schon lange nicht mehr mithalten. Mit zehn hat er mich mal am Telefon gefragt: „Papa, kennst du ‚Eleanor Rigby‘?“ Da war ich echt baff. Und mit elf hat er mir schon Links zu Videos von Travis, Snow Patrol und Coldplay geschickt. Wunderbar. Die guten Sachen werden irgendwann immer entdeckt, heute findet und verbreitet man natürlich alles viel schneller. Andererseits: Das haptische Erlebnis, die Romantik, die mit dem Erwerb und dem Besitz einer Schallplatte verbunden war, ist natürlich verloren gegangen. Von den Booklets angefangen, die man minutiös studiert hat …
… weil man wissen wollte, wo das Album aufgenommen wurde.
Ja, so etwas wollte man wissen. Und manchmal konnte man das Begleitheft ausklappen, viermal, sechsmal, achtmal auseinanderfalten und hatte dann ein Poster. Und lange auf ein neues Album gespart und gewartet hat man auch. Es besaß eine viel höhere Exklusivität damals, Musik zu besitzen, Platten zu sammeln. Mit 17 hatte ich endlich meinen Dual-Plattenspieler und war stolz wie Oskar, denn ich war damit in meiner Klasse ganz weit vorne. Man traf sich nachmittags, saß zu fünft oder zu sechst um diesen Plattenspieler und die zwei Boxen herum, hörte Musik von Simon & Garfunkel, trank Fanta und lernte Vokabeln.
Wurdest du in der Schulklasse eigentlich wegen deines Musikgeschmacks gehänselt? Elton John, Paul Simon, Udo Jürgens – das war ja bestimmt nicht das, was die Mitschüler cool fanden.
Klar, da wurde schon die Nase gerümpft. Wenn man zu uns nach Hause kam, sah man gleich das große „Udo ’70“-Poster über meinem Etagenbett – da hatten andere natürlich Deep Purple oder Led Zeppelin an der Wand. Aber ich hatte zwei Klassenkameraden, die auch große Udo-Jürgens-Fans waren. Mit den beiden war ich dann auch in der Musikhalle und habe Udo Jürgens auf seiner legendären „Udo ’70“-Tour gesehen. Unvergesslich, ganz, ganz groß! Hinterher habe ich mich dann auch angestellt, um mir ein Autogramm auf meine Eintrittskarte zu holen. Er hat aber nur „Udo“ draufgeschrieben, da war ich etwas geknickt.
Vermutlich warst du der einzige Mann in der Autogrammjägerschlange.
Weiß ich gar nicht, aber denkbar. Allerdings: Vor zehn Jahren, als Udo Jürgens 70 wurde, gab es in der ARD eine Gala, in der ich mit dem Gitarristen Ralf Hartmann auftreten und ein Lied von Udo singen durfte. Anschließend, beim Talk mit Udo und Sandra Maischberger, habe ich die alte Eintrittskarte herausgeholt, und er hat, knapp 30 Jahre danach, den Nachnamen hinzugefügt.
Was ist für dich das Udo-Jürgens-Lied schlechthin?
„Immer wieder geht die Sonne auf“, ein Jahrhundertsong.