Jan Delay – Willkommen in der Rocky HipHop Picture Show
Punk Zander? Oder echte Rockerwerdung? Er ist der James Last der Zehnerjahre!
„Stadiontour“ nennt Jan Delay seine Clubkonzerte, die ihn parallel zur Veröffentlichung des neuen Albums „Hammer und Michel“ von Vechta über Köln und Berlin ins heimische Hamburg führen. Ein Testlauf für die großen Hallen- und Festival-Auftritte im Laufe des Jahres. Von ähnlich rustikalem Witz sind auch die T-Shirts am Merch-Stand, auf denen das Pistolen-und-Rosen-Logo von Guns N‘ Roses oder auch Judas Priest in die neue Rock-Optik des Stilsurfers eingemeindet werden. Das hat etwas von Atze-Schröder-Humor. Obwohl es natürlich nicht SO gemeint ist.
Oder eben doch. In seinem Bestreben sich bei seiner Rockerwerdung um nix zu scheißen, wie er unmissverständlich in dem Song „Fick“ ausdrückt („Is mir latte, was ihr über mich denkt“), wird auf alle Feinheiten und allzu kunstvollen Ansätze verzichtet. Es muss derbe krachen, in möglichst großen Dimensionen. Dafür hat Delay bereits vielerorts Dresche bezogen. Der Kölner Stadtanzeiger schlug etwa für die nächste Platte auf seiner Reise durch den Musikkosmos den Titel „Punk Zander“ vor. Doch auch das Wohlwollen der Kritik muss ihm nun völlig egal sein.
Das zeigt sich sehr schön in der drangvollen Enge des Berliner Lido, als Delay mit seiner bewährten Begleitband Disco No.1 (plus Lindenberg-Tourgitarrist Jörg Sander) in beschleunigtem Tempo durch sein neues – und altes – Oeuvre pflügt. Eine Ragga-HipHop-Rock-Mithüpfrevue, bei der mal eben zwei, drei Takte von „Whole Lotta Love“ oder „Uptown Top Ranking“ wie bei einem DJ-Mix eingeflochten werden. Delays handwerklich gewohnt solide Truppe hat so etwas locker drauf und holt sich ein ums andere Mal Szenenapplaus. Die bewährt schweißtreibende Wohlfühl-Revue wird ergänzt um die Geschmacksrichtung ROCK, wenn die heftigen Riffs der neuen Songs auf den Hanseaten-Rap-Klassiker „Türlich, Türlich (Sicher Digger)“ folgen. „Habt ihr Spaß!?“, ruft Delay. „SO richtig Spasss!?“ Jawoll hammwa. Arme gehen nach oben, Hände werden gereckt. Seine Show hat trotz der unernsten Aura in ihren musikalischen Passagen durchaus Lenny-Kravitz-Qualitäten, wobei man natürlich keinerlei Innovationen in irgendeine Richtung erwarten sollte. Ein Bekenntnis zum funky Schweinerock, das mit „St. Pauli“ als Rausschmeißer unter großem Jubel dazu ansetzt, gleich noch einen neuen Mitgröhl-Standard zu etablieren.
Delays große Zukunft (Stand April 2014) liegt mehr denn je darin, ein singender und rappender Bandleader zu sein, der sein Millionen-Publikum versiert durch die Geschichte der aktuellen Popmusik führt. Der James Last der Zehnerjahre.