Jamiroquai
„Verdammter… blöder… beschissener…“ Jay Kaye, 29, Mastermind von Jamiroquai, war lang nicht mehr so mies drauf wie heute. Kommt in das Londoner Fotostudio gestürmt, kreist zwei Runden wie eine extrem abgenervte Killerhornisse, läßt sich auf eben Stuhl fallen, knallt die Benson & Hedges auf den Tisch und starrt angestrengt auf seine Knie. Benimmt sich also ganz wie früher, damals vor acht Jahren, als Jamiroquai die Erde erstmals mit ihrem Pop-Soul-Schubidu-Jazz-Funk-für-alle beglückten; als er auf Pubtische stieg und uns verklickerte, daß die Welt auf Lügen gebaut sei. Seither hat er elf Millionen Alben verkauft, ist inzwischen mit (TV-Moderatorin und Actrice) Denise Van Outen liiert, besitzt ein bescheidenes Schlößchen in Buckinghatnshire und 28 Hektar Land dazu und liefert nun, nicht zu vergessen, das vierte Album ab: „Synkronized“. Man sollte meinen, so einer müßte leuchten vor lauter Glück, aber nix: Über seinem bohrenden Blick liegt die Stirn in Falten, die Haare stehen zu Berge, er trägt schwarz, und die Welt kotzt ihn an.
Was zum Teufel geht Dir denn so an die Nieren?
Was wohl. Das hier vielleicht? Interviews? Nach einer Weile tut’s das nämlich.
Aber Du mochtest Interviews doch immer: Forum für Deine Ansichten und so.
Interviews hab ich nie gemocht, nie. Hab schließlich Wichtigeres zu tun, zudem ist eh alles gesagt. Es nervt, es ödet mich an, ich kann’s nicht ab. Die Musik spricht für sich – also was soll das Ganze!
Und ich dachte, daß Du diesbezüglich etwas relaxter geworden seist. Daß Du nichts mehr beweisen mußt.
Beweisen? Was soll ich beweisen?
Mann, ich rede von Deinem phänomenalen Erfolg!
Also, die britische Presse hat uns dabei bestimmt nicht geholfen! Und wenn du lang genug diesen Scheiß lesen mußt, willst du irgendwann deine Ruhe. Grad erst hab ich gelesen, Denise und ich hätten uns verlobt. Lauter so’n Scheiß. (Er steht auf und umkreist seinen Stuhl) In Deinem Metier wimmelt es von Wichsern. Mal bin ich The Prat In The Hat, der Weiße, der schwarze Musik macht, oder der Öko-Schwätzer, der Ferrari fährt. Welches Klischee darf’s denn diesmal sein?
Drummer Derek, der neben ihm sitzt, schlägt vor: „Daß Du gierig bist.“
Oh, genau, gierig, das hat ER gesagt Fuck him! (Letztes Jahr verließ Bassist Stuart im Streit die Band und erzählte anschließend, der „gierige“ Jay habe ihn ausgebeutet. Was wiederum Jay veranlaßte, auf dem fast fertigen neuen Album alles zu tilgen, was im Entferntesten an Stuart erinnerte…)
Darf man also vermuten, daß diese Freundschaft inzwischen beendet ist?
Freundschaft, meine Fresse! Wenn mir jemand ins Gesicht lügt und mich hinterm Rücken verleumdet, kann er nicht mit Freundschaft rechnen.
Er hat also glatt gelogen?
Natürlich! Wer behauptet, ich zahle schlecht, lügt doch wie gedruckt
Derek: „Ich würde jemanden, der mit 24 ein 90 000-Pfund-Auto fährt und in einer Villa wohnt, auch nicht wirklich schlecht bezahlt‘ nennen.“
Aber wieso mußtet Ihr denn deshalb gleich die ganze Platte einstampfen?
Weil der Typ unter dem Größenwahn leidet, er hätte ’ne Menge Sachen komponiert – dabei stammen die meisten Baßlinien von mir oder Toby. Ich wollte auf keinen Fall in eine Situation schlittern, wo er vor Gericht behauptet, er hätte irgendwas mit dem Album zu tun. Also hab ich gesagt: „Um jeden Ärger zu vermeiden, machen wir jetzt ’ne völlig neue Platte.“
Und ich wollt schon fragen, was Ihr bloß die ganze Zeit gemacht habt…
Gearbeitet! Wobei es nicht gerade motivierend ist, wenn man eine neue LP schreiben muß, nachdem man grade eine zu Ende gebracht hatte. Es hört nie auf – angefangen beim Hauskauf bis hin zu so absurden Dingen wie dem AIDS-Test, den ich machen mußte, um den Kredit zu kriegen.
Einen AIDS-Test? Wieso das denn?
Weil die ab ’nem bestimmten Kreditrahmen wissen wollen, ob du lang genug lebst, um die Knete zurückzuzahlen. War alles reichlich Streß – vor allem, wenn du gleichzeitig dein Studio baust und das beste Album machen willst. Ich fühl mich, als wäre ich ’nen Marathon gelaufen.
Zumindest privat ist alles in Butter?
Ja, zum Glück. Denn die Letzte war ’ne blöde Kuh. Nervensäge. Wenn man als öffentliche Person lebt, gibt’s nichts Schlimmeres als jemanden, der dir öffentlich ’ne Szene macht. Oder dich rumschubst. Oder erzählt, sie sei schwanger, obwohl’s nicht stimmt – lauter so’n Scheiß. Denise ist anders. Wir haben den gleichen Humor. Als ich sie traf, wußte ich gar nicht, wer sie war; ich hatte sie nie im Fernsehen gesehen, weil ich nie so früh wach bin. Aber wir amüsierten uns blendend, also sagte ich: „Komm mal vorbei, ich koch uns was.“
Und? Was hast Du gekocht?
Steak. Kein Schnickschnack. Nee, nee. Steak mit Pommes. Und Coca Cola.
Dann hast Du im Deinem Schlößchen wohl auch nicht mal goldene Wasserhähne?
Sonst noch was? Ich hab ein Gemäuer mit Mörtel und ’nem Studio, aber das war’s auch.
Du bist also noch nicht im Himmelbett aufgewacht und hast gedacht: „Oh Gott, ich bin Roger Daltrey geworden“?
Eher unwahrscheinlich, dereinst in ’nen langweiligen Furz wie Daltrey zu mutieren.
Was bedeuten Dir denn die Millionen auf dem Bankkonto?
Wo sollen die denn bitteschön sein? Du liest zu viel im „Independent“.
Ich glaube, es war die „Times“: der zehntreichste Brite unter 30 oder so.
Mein Steuerberater muß eine Villa auf den Bermudas haben.
Fragst Du Dich manchmal, ob Du so viel Zaster überhaupt verdient hast?
Klar. Aber von jedem Pfund bleiben mir grad mal 30 Pence, nachdem ich Steuern, Management, Buchhalter, Anwälte und Band bezahlt habe – 30 Leute! Natürlich ist Geld nicht alles. Ich habe ein Haus, ein Studio, dafür aber auch satte Schulden. Floppt das Album, bin ich am Arsch.