James Vincent McMorrow. Bis zum Morgengrauen. Tour im Oktober
James Vincent McMorrow ließ für fünf Monate die Zivilisation hinter sich und kehrte mit dem tollen Debüt "Early In The Morning" zurück ins Leben. Wir sprachen mit dem Songwriter aus Dublin und verlosen Tour-Tickets.
Wir stellten James Vincent McMorrow bereits im April in unserer Rubrik „Artist To Watch“ vor. Im Oktober wird er noch einmal auf Tour kommen – präsentiert von ROLLING STONE. Wir verlosen 3×2 Tickets für die Tour. Einfach eine Mail mit dem Stichwort „James Vincent McMorrow“ an verlosung@www.rollingstone. Hier nun die Tourdaten und noch einmal uns Interview mit dem Künstler:
31.10.2011 Köln, Kulturkirche
21.11.2011 Hamburg, Knust
22.11.2011 Berlin, Festsaal Kreuzberg
24.11.2011 Frankfurt, Brotfabrik
26.11.2011 München, Backstage
Sonnenlicht fällt durch das verzierte Glas. Eine Akustikgitarre lehnt an der Heizung unter der Fensterbank. An der Wand zur Rechten steht ein altes Klavier aus dunklem Holz mit drei leeren Gläsern darauf. Der alte Kamin, der in dem kleinen Raum recht deplatziert wirkt, wurde zum CD-Regal umfunktioniert. Ein iPhone lädt an einer Steckdose. Der Bereich hinter der Tür ist vollgestellt mit einem Schlagzeug und einem alten Verstärker, an dem eine elektrische Gitarre lehnt. Das alte Mikrofon, das einzige, das der irische Songwriter James Vincent McMorrow sein Eigen nennen kann, steht vor dem Fenster im Sonnenlicht. Fast als bräuchte er diesen matten Glanz, um seine eigentümliche Stimme in selbigem erstrahlen zu lassen.
Nicht ganz unbemerkt veröffentlichte der Dubliner James Vincent McMorrow vor einigen Wochen sein Debüt „Early In The Morning“. Das Album ist das Ergebnis eines Selbstversuches: McMorrow zog sich Anfang 2009 für fünf Monate in ein kleines Haus an der irischen Küste zurück. Die elf Songs entstanden allesamt in dem oben beschriebenen Zimmer, das auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie im Inlet des Albums verewigt ist. Vom hier bedienten Klischee des einsamen Künstlers sollte man sich jedoch in keiner Weise abschrecken lassen. Denn „Early In The Morning“ ist ein wunderbares, ein bewegendes, ein reich klingendes Debüt geworden, in dem nicht über die Einsamkeit des Lebens gewimmert wird, sondern die selbst gewählte Weltflucht die Ruhe schaffte, die McMorrow brauchte, um sich mit einfachsten Mitteln kreativ zu entfalten. Und es braucht ja gar nicht viel, wenn man solch eine Stimme hat: Kehlig und weich zugleich, mal rauchig behangen, mal hell in den höchsten Tonlagen jubilierend, wird man diesen Klang so schnell nicht los. Schon gar nicht, wenn McMorrow seinen vielleicht besten Song „We Don’t Eat“ singt und mit wenigen Worten und Bildern eine ganze Kindheit zeichnet: „We don’t eat until your father is at the table. We don’t drink until the devil has turned to dust.“ Man kann sich an dieser Stelle ein Schaudern kaum verkneifen.
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McMorrow gesteht schon in den Linernotes, dass er wenig Ahnung hatte, was genau er in seinen Küstenrefugium machen wollte. Überhaupt sei es eher so gewesen, dass nicht er diesen seltsamen Weg zum Debüt gewählt hätte, sondern der Weg ihn. Im Interview mit www.rollingstone verriet McMorrow: „Ich wusste nur, dass ich nicht in einem gewöhnlichen Studio aufnehmen wollte. Die simple Idee war, dass ich mich zurückziehe und ein paar Demos aufnehme. Mit meinem eigenen Equipment, das ich über die Jahre gesammelt habe.“ In solch einer Aufnahmesituation habe er sich schon immer am lebendigsten gefühlt. „Als ich dann angefangen hatte, zeichnete sich schnell ab, dass es ein Album werden könnte.“
Also ließ er Dublin hinter sich, all die Clubs und Pubs, in denen er sich mit seinen Freunden traf, in denen er einen Namen hatte, in denen man seiner Stimme bereits lauschen konnte. Übel genommen hat man ihm diese Abkehr nicht: „Meine Freunde sind es gewohnt, dass ich hin und wieder für ein paar Wochen verschwinde. Und ich habe gelegentlich vorbeigeschaut, um meine Familie und Freunde zu besuchen.“
Diese Besuchen seien so etwas wie ein Schutzmechanismus gegen die Einsamkeit gewesen. „Totale Isolation hätte ich nie durchgestanden. Immer wenn ich merkte, ich stehe kurz vorm Durchdrehen, habe ich das Haus hinter mir gelassen, um unter den Menschen, die mir nahestehen, Kraft zu tanken.“ Gab es denn viele dieser Momente oder gar Tage? McMorrow: „Definitiv. Es zehrt an deinen Kräften, wenn du dich jeden Tag aufs Neue motivieren musst und niemanden hast, mit dem du deine Ideen besprechen kannst. Oft habe ich Songs aufgenommen und sie dann wieder in ihre Einzelteile zerlegt, weil sie einfach nicht funktionierten. Und es gab keinen, der mir bestätigten konnte, ob das nun die richtige Entscheidung war oder nicht.“
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Jeder, der schon einmal ins sogenannten Prokrastinieren geraten ist bei dem Versuch, eine Diplomarbeit, eine Hausarbeit, einen Artikel, ein Bild oder eben ein Album zu vollenden, kann sich ungefähr ausmalen, wie sich das anfühlen muss. Gerade wenn man sich die Tage frei geräumt hat, gerade wenn man einen Ruheort gefunden hat, gerade wenn man das Arbeitsgerät präpariert aber irgendwie anklagend vor sich stehen und liegen hat – gerade dann will das kreative Arbeiten ja meist so gar nicht funktionieren. Und wenn dann auch noch eine konkrete Deadline oder in McMorrows Falle ein konkreter Plattendeal fehlt, wird es nicht leichter.
James Vincent McMorrow hat es dennoch durchgezogen. Und zwar so: „Ich bin täglich um elf Uhr aufgestanden und habe dann von zwölf Uhr mittags bis ca. drei oder vier Uhr morgens durchgearbeitet. Ich hatte meine gesamtes Equipment im eigentlichen Wohnzimmer verteilt, bin von Instrument zu Instrument gezogen und habe auf diese Weise meine Songs Spur für Spur aufgebaut. Mit der Zeit wurden die Tage länger und länger, bis ich am Ende zum Sonnenuntergang ebenso bei der Arbeit saß wie beim Sonnenaufgang. Deshalb auch der Name: ‚Early In The Morning‘. Alle Songs wurden in den Morgenstunden beendet.“ Und deshalb auch diese verwaschene Fotografie auf dem Cover: McMorrow als blasser Schemem, eine ausgemergelte, erschöpfte an einem grauen Strand verloren wirkende Figur.
Aber James Vincent McMorrow hat seinen Selbstversuch heil überstanden, uns damit ein schönes Album beschert und den Weg ins Leben schnell wiedergefunden: „Als ich den letzten Song vollendet hatte, habe ich zwei Tage durchgeschlafen, aber dann trieb es mich schon wieder nach Dublin, und ich machte mir Gedanken, wie ich das Album gemixt und veröffentlicht bekomme. Ich hatte also keine Zeit, zuviel nachzudenken – für mich hieß es gleich: Zurück in die Zivilisation! Zurück an die Arbeit!“
In diesem Sinne: Willkommen zurück!