James Newton Howard live in Berlin: Grenzenlose Möglichkeiten des Bombasts
In Berlin stellte Komponist James Newton Howard einige seiner größten Hits vor und erzählte, wie Elton John einst seine Musikkarriere entscheidend beeinflusste.
Eigentlich sei er nur durch Zufall ins Filmbusiness gerutscht, erklärt James Newton Howard schon nach wenigen Minuten bei seinem Konzert am Dienstag (21. November) im Tempodrom in Berlin. Ein Schicksal, das er in Hollywood sicher nicht exklusiv hat. Aber es sicherte dem Komponisten ein großzügiges Auskommen und eine mehr als 30 Jahre währende Karriere, in der er an gut 120 Filmen beteiligt war. Ein Leben im Studio, wie der agile 66-Jährige kleinmütig und auch mit melancholischem Blick einräumt, in dem vor allem die Nachbearbeitung eigener Stücke zur scheinbar niemals endenden Qual wird. Und da keimte der Wunsch wohl nicht erst seit gestern, das eigene Lebenswerk endlich einmal auf die große Bühne zu bringen.
Filmmusik hat sich ja inzwischen längst aus ihrem Schattendasein herauskatapultiert, selbst Klassik-Hörer schwören inzwischen auf Wohlfühl-Hits und Überwältigungshymnen aus dem Soundtrack-Universum von Max Steiner über Nino Rota bis hin zu Danny Elfman. Doch erst mit dem eher wenig überraschenden Tour-Erfolg von Hans Zimmer und allerlei themenbezogenen Konzert-Tourneen („Disney In Concert“, Filmklassiker zu Orchester-Begleitung) ist das Genre zu einem neuen Live-Favoriten geworden.Spektakel und Romantik
Obwohl achtmal für den Oscar nominiert und in der Traumfabrik bestens vernetzt (seine Zusammenarbeit mit Autor Lawrence Kasdan, Schauspielerin Julia Roberts und Filmmusik-Star Hans Zimmer stellt der Komponist gerne heraus), verbinden sich mit James Newton Howard nur wenige große musikalische Themen, die schon mit den ersten Klängen wiedererkennbar wären. Da haben Kollegen wie John Williams etwas voraus. Dafür untermalte Howard mit protestantischem Arbeitseifer unzählige ältere oder neuere Klassiker wie „Pretty Woman“, „Herr der Gezeiten“, „Wyatt Earp“ und „King Kong“. Und er ist einer der zuverlässigsten Produzenten von orchestralem Bombast. Aber auch ein feinsinniger Klangingenieur romantischer Komödien. Belustigt erwähnt Howard, dass er eigentlich ein großer Liebhaber romantischer Klänge sei, aber zuverlässig fürs Spektakelkino gebucht werde.
Ein Symphonie-Orchester samt Chor aus Tschechien und Ungarn begleitet den Soundtrack-Veteranen nun auf Tour und sorgt für den konsequenten Breitwand-Sound. Zu hören gibt es natürlich Highlights aus „Tribute von Panem“, Howards wohl inzwischen bekanntester Soundtrack. Den Mega-Hit „The Hanging Tree“ darf eine Berliner Sängerin (sichtlich nervös, doch souverän) intonieren, die dafür eigens einen Wettbewerb gewonnen hatte. Zu vielen Filmen wie „Snowwhite And The Huntsman“ oder „Peter Pan“ gibt es Szenen auf einer großen Leinwand zu sehen, die 1:1 mit der aufgeführten Filmmusik korrespondieren. Ein Prinzip, das Howard auch einmal ironisch filtert, als er eine Szene aus „King Kong“ mit und ohne musikalischer Untermalung zeigt.Doch natürlich lenken die gezeigten Szenen auch oft vom Einsatz der Musiker ab (was sicher so nicht intendiert ist) – und zuweilen verkommen die dargestellten Bilder zu einer Werbeplattform für die hochemotionalen Momente der einzelnen Filme. Manchmal wünscht man sich doch ein wenig mehr Tiefe: Wenn James Newton Howard zum Beispiel einen eigenen Block zu seiner Kooperation mit M. Night Shyamalan einbaut, dann verschwimmen die gezeigten Bilder und auch Kompositionsthemen aus den Werken des Filmregisseurs kläglich in der zusammengestellten Suite. Das ist doppelt schade, gelangen dem Komponisten doch im Verbund mit dem inzwischen in Ungnade gefallenen Shyamalan einige seiner vorzüglichsten Werke.
Meisterstück „The Dark Knight“
Die mehr als zweistündige, dramaturgisch sorgsam ausgefeilte Setlist entlarvt aber auch, dass viele Höhepunkte im Werk des vielbeschäftigten Musikers gerade für Filme gelangen, die inzwischen zum Teil vergessen („Dinosaurier“) oder viel zu wenig gewürdigt wurden („Schnee, der auf Zedern fällt“). Während vor allem die Stücke aus „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ sowie „Maleficent“ aufgrund ihrer emotionalen Wucht eher ermüden, zeigt sich live, wie dringlich tatsächlich noch immer der Soundtrack zu „The Dark Knight“ ist, den Howard gemeinsam mit Hans Zimmer bearbeitete. Dargeboten wird die brodelnde „Harvey Dent Suite“, in der Streicher Amok laufen und in der die elektronisch verfeinerte Cluster-Technik Zimmers tatsächlich eine kluge Einheit mit Howards Orchester-Einsatz eingeht.
Neben allerhand Anekdoten aus dem Leben eines Komponisten erfahren die Zuhörer während des Konzerts mit einem wirklich hübschen Animationsfilm (!), wie Howard einst in Kontakt geriet mit Elton John und ihn als Keyboarder auf Tour unterstützte. Der humorvolle, immerzu höfliche Amerikaner rundet das Bild, in dem er von den „grenzenlosen Möglichkeiten des Lebens“ fantasiert, die wie Zufälle die eigene Biographie antreiben, in dem er sogar ein Stück aus seinem verschollenen Soloalbum spielt, das einst gerade einmal eine Auflage von drei Exemplaren hatte. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, so will es der Mythos, ist eben der Treibstoff, um in Hollywood zu leuchten.
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