Jackson Browne
Seit nahezu 40 Jahren sucht der Kalifornier nach Songs, die für die Ewigkeit halten. Selbst wenn er sich dabei unbeliebt macht.
Jackson Browne liebt Schokotrüffel. Während des Interviews muß er kurz seine Brille holen gehen, um die beiden Sorten, die man ihm auf Schloß Bensberg kredenzt hat, unterscheiden zu können. Wie soll man so einen Mann nicht mögen? Mit 57 sieht er immer noch jugendlich aus (der Jürgen-Drews-Trick: seit 40 Jahren dieselbe Frisur), er lächelt gern und spricht ebenso leise wie eindringlich – derzeit am liebsten über sein Album „Solo Acoustic Vol. 1“, für das er einige seiner schönsten Stücke – „Fountain Of Sorrow“, „These Days“, „Take It Easy“ bei diversen Konzerten aufgenommen hat.
Nach welchen Kriterien hast du die Songs ausgewählt?
Ich ließ weg, was ich nicht gut fand. Das war eine ernüchternde Erfahrung. Live klingt ja immer alles besser. Nicht perfekt, das wird auf diesem Album ganz klar, aber irgendwie gefühlvoller. Das einzufangen ist schwer.
Das Publikum fordert bei dir dauernd lautstark Song. Nervt das manchmal?
Mich nicht, aber die anderen Zuschauer sind manchmal genervt. Irgendwann ruft dann meistens einer: „Spiel doch einfach, was du willst!“ Aber der Witz ist ja: Das mache ich sowieso. Ich stelle vielleicht die Setlist um, aber ich würde nie etwas singen, das ich nicht singen will.
Manchmal lasse ich mich etwas leichtfertig auf Lieder ein, die ich nicht richtig kann. Aber dann sind die Zuschauer schuld, nicht ich. Und die geben mir meistens Bonuspunkte dafür, daß ich es wenigstens versucht habe. Manche meiner Freunde benutzen inzwischen Teleprompter, weil sie sich nicht alles merken können. Ich habe ja nicht so viel geschrieben, also probiere ich es immer noch ohne.
Manche Stücke sind schon um die 30 Jahre alt. Warum klingen sie nicht so?
Wie soll ich darauf antworten, ohne unbescheiden zu klingen? „Wenn ich etwas schreibe, dann ist das immer zeitlos.“ Das kann man ja nicht sagen. Das wäre mein Werbe-Slogan, wenn ich eine Songschreiber-Firma wäre. Tatsächlich waren die ersten Lieder, die ich gelernt habe, Folksongs… Paul Brady, „The Lakes Of Pontchartrain“, die verschiedenen Versionen von „House Of The Rising Sun“, so viele Beatles-Songs – das sind Lieder, die ewig da sein werden. Daran habe ich mich immer orientiert.
Einmal hat jemand zu mir gesagt, Rock’n’Roll wäre Wegwerfkunst. Ich erinnere mich genau daran, weil ich so überrascht war. Das hatte mir keiner gesagt! Ich dachte, wir versuchen, etwas zu machen, das ewig hält. Zumindest versuchen muß man es.
Hast du dir schon Gedanken über „Volume 2“ gemacht?
Auf jeden Fall sind noch genug Songs übrig. Einige neuere Stücke durfte ich nicht nehmen, weil meine alte Plattenfirma das nicht erlaubt. Andere kann ich immer noch nicht gut genug spielen. Und dann gibt es Lieder, die ich mag, die aber keiner kennt wie hier „Looking East“. Das Album dazu hat ja keiner gekauft, aber vielleicht fällt jetzt ja noch dem einen oder anderen auf, daß das ein toller Song ist.
Und wann gibt es ein neues Album?
Bald. In einem Jahr, schätze ich. Ich brauche heutzutage einfach länger. Man legt ja doch mehr Wert auf das Privatleben, und man will sich nicht wiederholen. Vor allem aber liegt es daran, daß ich noch so viele andere Interessen habe. Ich kann erst Songs schreiben, -wenn alles andere erledigt ist und das dauert manchmal ewig.
Seit den 80er Jahren engagierst du dich sehr für Umweltschutz und Politik…
Manche Menschen behaupten, das habe meine Karriere runiert (lacht). Wahrscheinlich hat sich meine Zuhörer-Zahl tatsächlich verringert, aber ich glaube, inzwischen sind die meisten, die damals enttäuscht waren, darüber hinweg. Es gefällt vielen Leuten eben nicht, wenn man ihnen etwas erzählt, von dem sie keine Ahnung haben. Wenn man nicht weiß, was amerikanische Außenpolitik ist, dann will man auch keinen Song darüber hören. Da fühlen sich die Leute unwohl. Aber ich kenne auch welche, bei denen Interesse geweckt wurde. Wenn man sich nicht traut, sich auch mal unbeliebt zu machen, dann kann man es gleich lassen. Ich mag Herausforderungen.
Neuerdings schreibst du viel mit anderen Leuten…
Zumindest sehen die Credits so aus! In Wirklichkeit arbeite ich nicht anders als früher, aber jetzt erkenne ich die Leute, die mit mir an den Liedern arbeiten, ein bißchen mehr an. Studiomusiker kriegen ja normalerweise nur eine einmalige Zahlung, sonst nichts. Ich gebe lieber ein paar Credits ab, damit sie entsprechend entlohnt werden. Lustig war das mal, als Jorge Calderon mit mir etwas schrieb. Der freute sich schon so auf das Geld und dann sah er, wieviele andere da noch aufgelistet waren. Mist, selbst bei einem Hit bleibt da ja nichts übrig!
Wann weißt du, ob ein Song wirklich gut ist?
Wenn etwas mit mir passiert, während ich den Song zu Ende schreibe. Wenn ich mich während der Nachforschungen, die ich für das Lied anstelle, selbst verändere, mich in Frage stelle das deutet dann auch auf die Reise hin, die der Zuhörer unternehmen wird. Ich verändere ständig Textteile, Melodien, manchmal auch nur einzelne Noten. Ich muß irgendwie herausfinden, worum es wirklich geht – dann funktioniert das Stück. Oft geht es um Selbstfindung, Heilung, Überwindung eines Nervenzusammenbruchs, solche Sachen. Um irgendeinen Ausweg.
FÜR ANFÄNGER
1 Er wurde als Clyde Jackson Browne am 9. Oktober 1948 in Heidelberg geboren.
2 Im Jahre 1966 war er Mitbegründer der Nitty Gritty Dirt Band, blieb aber nur einige Monate bei ihnen.
3 Als 19jähriger spielte er Gitarre für Nico, die auch sein Lied „These Days“ aufnahm.
4 Er traf sein Vorbild Bob Dylan erstmals 1973, konnte aber vor Aufregung nicht mit ihm sprechen.
5 Sein Album „The Pretender“ produzierte Jon Landau, nachdem er gerade „Born To Run“ fertiggestellt hatte.